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Sexismus-Debatte : Der Busen der Buhlschaft

Jeden Sommer wieder ein Aufreger: Verena Altenberger als Buhlschaft in der aktuellen „Jedermann“-Inszenierung in Salzburg Bild: Barbara Gindl/APA/dpa

Die Schauspielerin Verena Altenberger wirft einem Kritiker Sexismus vor. Er habe ihre Salzburger Buhlschaft nach ihrem Brustumfang beurteilt. Deutschlandfunk Kultur macht sich den Vorwurf zueigen, aber er trifft nicht zu.

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          Die Schauspielerin Verena Altenberger, die in Salzburg die Buhlschaft im „Jedermann“ spielt, hat sich über einen Kritiker beschwert. Er habe ihr vorgeworfen, sagte sie in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur, dass sie „einen zu kleinen Busen“ habe. „Wörtlich steht da: ‚erstaunlich wenig Buhlschaftsbusen‘.“ Das stimmt nicht. Wörtlich steht bei Manuel Brug in der Zeitung Welt vom 30. Juli: „Die Buhlschaft, dieses Jahr mit kaum Buhlschaftsbusen und noch weniger Haar, hat diesmal im teuersten Laienspiel der Welt ganz entschieden die Hosen an.“

          Zum Erstaunen hatte Brug keinen Anlass. Er resümiert eine Typveränderung in der Ausstattung der Figur, die Jahr um Jahr im Zentrum der Berichterstattung und zumal der Vorberichterstattung steht, obwohl sie nur wenige Verse hat. Die Abwendung von einem Erscheinungsbild der Frau, für dessen Umschreibung älteren Kritikergenerationen die Wortfelder von Reiz und Üppigkeit zu Gebote standen, kann den Chronisten, der in Salzburg schon fast alles gesehen hat, nicht mehr von der Bank auf dem Domplatz reißen. „Das war ein schleichender Prozess, über Jahre hinweg schon.“

          Deutschlandfunk Kultur hat Altenberger interviewt und in den Folgetagen zwei weitere Beiträge gesendet, weil man der Sache „gesamtgesellschaftliche“ Be­deutung zuschreibt. Altenberger klagt über Diskriminierung, ungerechte Behandlung wegen ihres Geschlechts. „Das ist eine Abwertung von Frauen, wenn man sie sexualisiert und nach Äußerlichkeiten beurteilt. Wir reden einfach über den Körper, und den können wir schön von außen beurteilen.“

          Die Prämissen dieses Urteils sind hier nicht erfüllt. Brug beurteilt Altenberger gar nicht – weil er sich einer kritischen Beurteilung der Aufführung vollständig enthält. Sie ist für ihn kein würdiger Gegenstand von Kritik, sondern nur rituelles Spektakel, interessant allenfalls als Dokument von Verschiebungen bei der Präsentation von Geschlechterklischees. Und nicht nur beim weiblichen Personal redet Brug über den Körper. Der Darsteller von Schuldknecht und Mammon wird vorgestellt als „der gut gebaute Mirco Kreibich“. Das Wort vom fehlenden Busen fällt drei Sätze vor dem Namen der Schauspielerin. Es geht um den ersten Eindruck von der allegorisch konzipierten Figur, um das, was das Publikum zu sehen bekommt – wie Jedermann, der den von „Spielleuten und Buben“ begleiteten Auftritt der Buhlschaft kommentiert: „Nun aber gehts nit bloß ins Ohr. / Tritt auch den Augen was hervor.“

          In der Werbung in den sozialen Medien behauptet Deutschlandfunk Kultur, Brug habe „den Brustumfang der Darstellerin“ beanstandet. Er hat noch nicht einmal die Besetzungspolitik beanstandet, nur beschrieben. Der Sender ließ Brug in einem Interview erläutern, was er geschrieben hatte. Einen Tag später prangerte ihn die Theaterredakteurin des Senders als Sexisten an, der sich von seinem „Privatgeschmack“ habe hinreißen lassen. „Zur Debatte um den ‚Buhlschaftsbusen‘“ lautet die Überschrift des Kommentars. Damit die Debatte weitergeht, muss Mirco Kreibich das Wort ergreifen.

          Patrick Bahners
          Feuilletonkorrespondent in Köln und zuständig für „Geisteswissenschaften“.

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