Die Liebe wird für alle reichen
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Serhij Zhadan Mitte April bei einem Konzert in einem Luftschutzkeller in Charkiw. Bild: AFP
Serhij Zhadan ist einer der besten Dichter, Musiker und Romanciers der Ukraine. In diesen Tagen hat er Wichtigeres zu tun: Er verteidigt Charkiw, seine Stadt. Über seine Bücher, seine Musik und sein Engagement in Kriegszeiten.
Lenin trug, wie immer, seinen Mantel offen. Er streckte einen Arm aus wie ein Opernsänger, die Hand geöffnet, den Daumen abgespreizt, als zeigte er: Das ist mein Platz. Dort, unter den Granitaugen der großen Lenin-Statue, stützten zwei Polizisten einen Mann. Auf dessen Augen, dessen Gesicht lag ein hellroter Schleier – frisches Blut. Das war im März 2014, als die Bilder vom Freiheitsplatz in Charkiw durchs Internet, durch Zeitungen gezogen sind, als Russen und Pro-Russen versuchten, das Haus der Charkiwer Verwaltung einzunehmen. Der blutende Mann war der Schriftsteller, Musiker und Dichter Serhij Zhadan. Mit zweihundert anderen beschützte Zhadan das wuchtige Gebäude und bekam Tritte, Fäuste ins Gesicht, die Nase war gebrochen. Charkiw blieb ukrainisch.
Und ein Jahr später, im Sommer 2015, stand Serhij Zhadan mit mir auf diesem Freiheitsplatz und sagte: „Ich liebe mein Land.“ Lächelte dabei wie ein Kind, dem man einen Welpen schenkt. Der Platz, ein megalomanes sowjetisches Beton-Meer, lächelte mit. Nur Lenin konnte es nicht mehr, die Statue wurde 2014 beim Protest gestürzt.
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