Selbstzensur durch Massenüberwachung : Wir werden uns nicht mehr wiedererkennen
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Eine von fast drei Milliarden Straßenlaternen, die bald alles können, vor allem: jede Regung aufzeichnen Bild: dpa
Vor mehr als hundert Jahren hat Freud nachgewiesen, dass der Mensch sich selbst zensiert. Im Zeitalter digitaler Massenüberwachung droht uns Selbstzensur in ganz anderem Ausmaß: Unser Verhalten ändert sich grundlegend.
Am 24.Februar 1998 – Edward Snowden war gerade einmal fünfzehn – stellte die NSA eines der bemerkenswertesten Dokumente in der Geschichte und Theorie der Kommunikationsmedien fertig. Das Internet stand seit wenigen Jahren für die kommerzielle Nutzung zur Verfügung und bestimmte in zunehmendem Maß die Zwei-Wege-Kommunikation, was den Nachrichtendiensten natürlich nicht verborgen blieb.
English Version: We won’t be able to recognize ourselves
In dem Papier heißt es: „In der Vergangenheit operierte die NSA in einer überwiegend analogen Welt von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen, die über diskrete, feste Sprechkanäle liefen. Der Zugang zu diesen Verbindungen konnte meistens auf konventionellem Weg hergestellt werden. Inzwischen findet Kommunikation überwiegend digital statt, mit Milliarden von Bits, über Sprache, Daten und Multimedia. Sie wird dynamisch weitergeleitet, ist global vernetzt und stützt sich immer weniger auf traditionelle Kommunikationswege wie Mikrowelle oder Satelliten. Um ihren offensiven und defensiven Auftrag erfüllen zu können, muss die NSA ‚im Netz leben‘.“
Im Schatten der Schatten
Die NSA und ihre Partner haben in der Tat dazugelernt. Sie „leben im Netz“, überwachen Tweets und SMSe, Mails und Videoanrufe, soziale Netzwerke, Spiele, Fotos, Suchanfragen und Telefone. Sie sind nicht die Einzigen, die ein gigantisches digitales Schleppnetz ausgeworfen haben. Die Briten betreiben eine aggressive elektronische Überwachung, die Franzosen haben ihre eigenen Schnüffelinstrumente, und die Deutschen sind bestens vertraut mit den „Kronjuwelen“ der NSA, etwa dem digitalen Staubsauger XKeyscore, einem Programm, mit dem sie Mails, Chats und Browserverläufe durchsuchen und Abermillionen Datensätze abgreifen können. Laut einem Bericht des „Spiegel“ lobte die NSA die deutsche Regierung dafür, „ihre Auslegung des G-10-Gesetzes geändert zu haben, um dem BND mehr Flexibilität bei der Weitergabe geschützter Daten an ausländische Partner zu ermöglichen“.
Internetüberwachung findet natürlich nicht nur in Europa und in Nordamerika statt. Wer nicht weiß, dass die Chinesen und Russen massiv in Cyberspionage investieren, lebt in einem anderen Sonnensystem. Multinationale Unternehmen geben sich „schockiert“ und „empört“ darüber, dass ihre Server und Datenleitungen angezapft werden – ihr Protest fällt etwas zu laut aus. Gleichzeitig sammeln und nutzen diese Unternehmen Daten über uns in beispiellosem Umfang. Und im Schatten der Schatten bewegen sich Cyberkriminelle, die Daten von Staaten und Unternehmen stehlen.
Leerstellen im Bewusstsein
Das Schockierendste, was ich im letzten Jahr gelesen habe, war nicht, dass Geheimdienste elektronische Spionage betreiben, sondern ein kleines lachsfarbenes Textfeld in der rechten unteren Ecke einer Powerpoint-Präsentation der NSA zu Prism: „Kosten für Prism: ~ 20M pro Jahr.“ Zwanzig Millionen Dollar jährlich? Für die NSA ein lächerlicher Betrag, der auch deswegen so gering ist, weil man durch Druck, durch gesetzliche Vorgaben oder heimlich an die Daten der Unternehmen kam. Die Mühelosigkeit dieser Überwachung, auf die diese geringe Summe hinweist, bedeutet, dass diese Debatte faktisch beendet ist. Sicherlich wird das eine oder andere Programm eingeschränkt werden. Aber niemand, keine Institution, kein Vertrag, kein Gesetz, kein Land, wird die weltweite Datensammelei einstellen.
Über die Weisheit, Rechtmäßigkeit und Praxis der Datenüberwachung sind schon viele Artikel geschrieben worden. Ich möchte andere Fragen stellen und die Empörung darüber, dass Apps und Geheimdienste das Recht auf Privatsphäre missachten, anderen überlassen. Was, wenn wir einen Schritt zurücktreten, die heutige Situation jenseits der aktuellen Aufregung betrachten und fragen, wie Überwachung und Datensammelei den Menschen langfristig verändern?
Gibt es einen besseren Ausgangspunkt für unsere Frage nach dem Ich und der Zensur als Sigmund Freud? 1897 verglich Freud die psychische Zensur (eine Dynamik, die er als eine seiner wichtigsten Entdeckungen ansah) mit der damaligen zaristischen Pressezensur. Er bemerkte nicht als Einziger, dass die Grenzwächter religiös, sexuell oder politisch anstößige Bemerkungen über die Herrscher mit Tinte oder einem aufgeklebten Papierstreifen unsichtbar machten. Um ihre Eingriffe zu verschleiern, schrieben sie die Texte vielleicht sogar um. Aber irgendwann machten sie sich, wegen Zeitdruck oder aus Überheblichkeit, nicht mehr die Mühe, ihre Interventionen zu verbergen. Nun wurden die zensierten Texte unverständlich, einfach wegen der vielen Leerstellen.
Nicht anders ist es bei scheinbar absurden Träumen. „Diese Zensur“, schrieb Freud in seiner 1900 erschienenen „Traumdeutung“, „verfährt ganz analog der russischen Zeitungszensur an der Grenze, welche ausländische Journale nur von schwarzen Strichen durchsetzt in die Hände der zu behütenden Leser gelangen lässt.“ Tagtäglich gingen Zensoren die Wiener Zeitungen durch, tilgten ganze Absätze, an deren Stelle nun eine weiße Lücke klaffte. Die Post schwärzte unliebsame Zeilen in Briefen. Freud nutzte die Post, um seine Theorien mitzuteilen, zur Diskussion zu stellen und die psychoanalytische Forschung voranzubringen. Die Zensur behinderte ihn, schnitt ihn ab von seinen Berufskollegen und von seinen Söhnen, die während des Ersten Weltkriegs an der Front waren.
Gemurmel, Gemurmel
In Freuds psychischer Topographie von 1915 war die politische Zensur ganz real – seine Korrespondenz wurde zweimal von Zensoren gestempelt, einmal in Wien und einmal am (ausländischen) Bestimmungsort. Freud schrieb 1915: Der „psychische Akt“, der sich im Bereich des Unbewussten bewege, nähere sich der Grenze, so wie jemand, der einen gefährlichen Text im Gepäck hat, sich der Grenze nähere – mit ähnlichen Folgen. Das Unbewusste kann an der Grenze zum Vorbewussten zurückgewiesen und dem Vorbewussten kann der Zutritt zum Bewusstsein verwehrt werden.
Anfang Dezember 1915 hielt Freud seine Vorlesung über die Traumzensur. Etwa in dieser Zeit versah er die „Traumdeutung“ mit einem Zusatz, in dem er die Traumzensur während des Krieges direkt mit der Postzensur verglich. „Frau Dr. H. von Hug-Hellmuth hat im Jahre 1915 einen Traum mitgeteilt, der vielleicht wie kein anderer geeignet ist, meine Namengebung zu rechtfertigen. Die Traumentstellung arbeitet in diesem Beispiel mit demselben Mittel wie die Briefzensur, um die Stellen auszulöschen, die ihr anstößig erscheinen. Die Briefzensur macht solche Stellen durch Überstreichen unlesbar, die Traumzensur ersetzt sie durch ein unverständliches Gemurmel.“
In dem erwähnten Traum geht eine fünfzigjährige „feingebildete und hochangesehene Dame“ in das Garnisonsspital Nr.1 und erklärt dem Posten, sie wolle freiwillig „Dienst“ tun, betont es aber so, dass klar ist, dass damit „Liebesdienste“ gemeint sind. Sie sagt zu dem Posten: „Ich und zahlreiche andere Frauen und junge Mädchen Wiens sind bereit, den Soldaten (Gemurmel, Gemurmel).“ Aber in ihrem Traum wird sie von allen verstanden. Einer der Offiziere: „Gnädige Frau, nehmen Sie den Fall, es würde tatsächlich dazu kommen (Gemurmel).“ Und die Träumende etwas später: „Eine Bedingung müsste eingehalten werden..., dass nicht eine ältere Frau einem ganz jungen Burschen (Gemurmel), das wäre entsetzlich...“ Während sie auf einer schmalen Wendeltreppe in das Obergeschoss hinaufsteigt, hört sie einen Offizier sagen: „Das ist ein kolossaler Entschluss, gleichgültig, ob eine jung oder alt ist, alle Achtung!“
Von der Briefzensur zum heiligen Datengral
Für Freud entsprach dieses Traumgemurmel genau den von der Brief- und Pressezensur verursachten Leerstellen. Die Instanz, die sich da einmischt, interveniert nicht nur, sondern ist Ausdruck eines zentralen Elements unseres Ichs – und die Erfahrung einer Generation, die den Krieg erlebt hatte. Das provoziert die Überlegung, was das Überwachen, Sammeln und Speichern unserer digitalen Kommunikation mit uns macht.
Freud lehnte Zensur ab, aber sie betraf ja nicht nur ihn. Allein in Wien walteten dreitausend Zensoren ihres Amtes, und auch in den großen Städten der kriegführenden Nationen wurde eifrig zensiert. Walter Lippmann hat darauf hingewiesen, dass die Erfahrung von Zensur und Propaganda erheblichen Einfluss auf die amerikanische Presse nach dem Ersten Weltkrieg hatte. Überwachung beeinflusst unsere Art des Kommunizierens – und hat vermutlich noch viel tiefer greifende Auswirkungen.
Was hat sich verändert? Zu Freuds Zeit waren nur Briefe und Zeitungen von Zensur betroffen. Wir witzeln darüber, dass unsere privaten Mitteilungen ebenso gesammelt werden wie unsere Stimmen und Fotos im Internet, unser Standort, unsere Äußerungen in sozialen Netzwerken, unsere Metadaten, ja sogar unser Verhalten bei Online-Spielen. Aber der heilige Datengral ist nicht die Überwachung eines speziellen Kanals – das bittersüße „Leben der Anderen“, den allzu menschlichen Schnüffler mit Kopfhörer, Stift und Papier und mit Tränen in den Augen können wir vergessen. Von ausschlaggebender Bedeutung für Staaten und Unternehmen ist das integrierte Archiv, das eine Verknüpfung von Daten erlaubt, also beispielsweise Kaufverhalten und Online-Klicks. Oder man kann Metadaten (Telefonnummern) mit Standort und Browserverlauf abgleichen.
Gesichtserkennung ist nur der Anfang
Wir alle sind inzwischen Daten. Nehmen wir die Videoüberwachung. Digitalisierte Videoüberwachung, in Großbritannien besonders massiv betrieben, ist weit mehr als nur Beobachtung. Unsere digitalisierten Gesichter sind Teil der Datenströme, die beispielsweise von Smartphones, einer Milliarde weltweit, generiert werden. Wie schnell sich das alles verändert hat! Im Wikileaks-Archiv findet sich ein hochinteressantes Dokument aus dem Jahr 2008 – sensibel, aber nicht als geheim eingestuft. Darin fasst ein Amerikaner ein Gespräch zusammen, das er mit dem Düsseldorfer Polizeipräsidenten Herbert Schenkelberg zum Thema Videoüberwachung geführt hat.
Schenkelberg wies darauf hin, dass polizeiliche Überwachung aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur eingeschränkt möglich sei, private Kameras aber überall dort angebracht werden dürften, wo sie nicht ausdrücklich verboten seien – was einen Ausweg bot. Mit Hilfe von Videoaufzeichnungen der Deutschen Bahn habe man die versuchten Kofferbombenanschläge im Juli 2006 in zwei Regionalzügen aufklären können.
„Der Düsseldorfer Polizeipräsident erklärte, dass eine Mehrheit der Bürger Videoüberwachung an öffentlichen Orten nicht problematisch findet, das Abhören von Telefonen und Internetüberwachung jedoch vehement ablehnt. Die meisten Leute fühlen sich nicht ‚beobachtet‘, sondern eher sicherer, was sich vor allem auf soziale Gruppen wie Drogendealer, Alkoholiker oder jugendliche Randalierer bezieht. Der Unterschied zwischen staatlicher und nichtstaatlicher Überwachung ist der Öffentlichkeit nicht bewusst.“
Seit 2008 hat sich die Videoüberwachung verändert. Schenkelberg beklagte die geringe Bildauflösung und den Umstand, dass die Videoaufnahmen überwacht werden müssen. Dank der Gesichtserkennungsprogramme, die bei Facebook und anderswo zur Verfügung stehen, nutzen die NSA und andere Dienste die Milliarden identifizierter Gesichter, um ihre eigenen Erkennungsprogramme zu vervollkommnen. Gesichtserkennung ist aber erst der Anfang, auf vielen Flughäfen sind Körperscanner im Einsatz, und bei den Olympischen Spielen in Sotschi verwendeten die russischen Sicherheitsdienste Gesichtsscanner zum Erkennen von Selbstmordattentätern.
Verschwommene Grenzen
Die Geschäftswelt verfolgt mit großem Interesse Berichte über die aufstrebende Firma Sensity, die, wie viele andere, die Überwachungsmöglichkeiten ausbauen will. Firmenchef Hugh Martin weist darauf hin, dass sich in der Vergangenheit Neuerungen in der Kommunikationstechnik (Telefon und Telegraf) auf eine schon bestehende Infrastruktur stützten, nämlich Bahngleise. Sein Unternehmen hat sich die weltweit drei Milliarden Straßenlaternen vorgenommen, die gegenwärtig auf Gleichstrom umgestellt werden, so dass LED-Leuchten anstelle der viel kostspieligeren herkömmlichen Lampen verwendet werden können. Anschließend will man auch billige internetfähige Sensoren einbauen – für Wind, Temperatur, Helligkeit, Erschütterungen, Video- und Audiosignale und vieles andere mehr. Gesichtserkennung, verdächtige Aktivitäten wie „Herumlungern“, verlorene Gegenstände, Waffengebrauch? Suchen Sie sich einen Sensor aus. El Salvador macht bereits mit.
Wie die „New York Times“ im Februar berichtete, werden auf dem New Yorker Flughafen Newark Überwachungslampen eingebaut. Die Zeitschrift „VentureBeat“ zitiert Hugh Martin: „Ein solches globales Datennetzwerk hat es bisher noch nicht gegeben. Und seine Möglichkeiten sind potentiell viel größer als alles, was die NSA mit Prism und XKeyScore kann. Ein Netz von smarten Lampen, die Audio- und Videoaufzeichnungen liefern, die von Apps mit Gesichtserkennungstechnik analysiert werden können, das hat durchaus Orwellsche Dimensionen. Mein Fernsehgerät beobachtet mich vielleicht nicht, aber die Straßenlaterne vor meinem Haus könnte das. Beleuchtung ist ein trojanisches Pferd.“
In einer Welt von Risikokapital, privaten Sicherheitsfirmen und internationaler Terrorismusbekämpfung verschwimmt allmählich der Unterschied zwischen Staaten und Unternehmen. „Wir werden die Diskussion Privatsphäre versus Sicherheit ganz entschieden vorantreiben“, sagte Martin, was „VentureBeat“ als „Untertreibung des Jahrhunderts“ bezeichnet.
Bloß nicht auffallen
Freud beobachtete, dass politische Zensur ganz konkrete Folgen hatte – wir gewöhnen uns daran, noch vor der eigentlichen Zensur Selbstzensur zu üben. Wir überlegen: „Vielleicht sollten wir das nicht schreiben“ und gehen sicherheitshalber auf Abstand zu gefährlichen Aussagen. Genau so verfahren wir in unserem Seelenleben. Wir schützen uns vor unserem inneren Zensor, indem wir verbotene Gedanken abwehren oder entstellen.
Die heutigen Verhältnisse üben eine Zensur aus, die viel weiter reicht als die Schwärzungen und Streichungen in Briefen und Zeitungen im Jahr 1915. Am Anfang ist es vielleicht nur ein kleines Zögern. Im Oktober 2013 gab es auf dem Flughafen von Los Angeles eine wirkungslose Explosion – eine Kohlendioxidbombe, wie es im Radio hieß. Das ergab für mich keinen Sinn – Kohlendioxid ist doch nicht explosiv. Ich fing also an, „Kohlendioxidbombe“ in mein Handy zu tippen, und dachte dann: „Vielleicht keine gute Idee.“ Am Ende schaute ich natürlich doch nach und fand heraus, dass es bedeutete, Trockeneis in eine Flasche zu stopfen. Aber die Lektion saß: Das Wissen, dass ich nach einem sicherheitsrelevanten Begriff suchte, ließ mich zögern. Wer oft genug geflogen ist, macht in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle oder auch nur in der Nähe keine Witze mehr. Die Folgen reichen weit.
Was bedeutet es, wenn wir wissen, dass unsere Bewegungen auf lange Zeit hinaus gespeichert und analysiert werden können? Machen wir bei sozialen Netzwerken nicht mehr mit, weil das irgendwann einmal falsch interpretiert werden könnte? Verzichten wir auf die Online-Lektüre eines Buches, weil wir uns damit vielleicht Probleme einhandeln? Werden wir bedenken, dass wir sofort auffallen, wenn wir gerade nicht tun, was die meisten Menschen tun? Werden wir daran denken, dass irgendwo ein Alarm ausgelöst wird, wenn wir uns an bestimmten öffentlichen Plätzen bewegen oder jemanden in unser Adressbuch eintragen? Wird TrapWire oder ein vergleichbarer Algorithmus die Sicherheitsbehörden über eine verdächtige Aktivität informieren?
Kontrolle über digitale Identitäten verspricht Macht
Selbst die Formulierung „Privatsphäre versus Sicherheit“ ist möglicherweise viel zu schwach – weil wir uns am Ende in einem anderen Licht sehen, wenn so viel über uns gesammelt und analysiert wird. Als Andrew Pole, Chefanalytiker bei Target, im Jahr 2010 einen Vortrag über Prognosemodelle hielt, begann er mit dem Hinweis, dass man wahrscheinlich an Big Brother denken werde – wir werden aufpassen. Den anwesenden Unternehmensvertretern erklärte er, dass der Gral darin bestehe, eine „Gast-Identität“ zu schaffen, die sich aus Verhaltensmustern der Nutzer im E-Mail-Verkehr, im Internet, bei Kundenansprache, Einkäufen und Kurznachrichten zusammensetzt. Das Ziel sei, durch Personalisierung all dieser „Kanäle“ das künftige Verhalten vorherzusagen und zu beeinflussen. Das Ganze ist ein immenser Schatz von Daten über das persönliche Verhalten. 2013 stahlen osteuropäische Cyberkriminelle Kreditkartendaten von Target und anderen Unternehmen – betroffen war rund ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung. Daten sind, wie selbst die NSA feststellen musste, nicht ein für alle Mal vor Diebstahl geschützt.
Der Ausbau eines immer größeren Speichers von digitalen Identitäten verspricht Geld und Macht. Eine ungewöhnliche Ausgabe oder Reise? Ihre Bank will Genaueres wissen. Vielleicht auch die Terrorabwehr. Oder ein Cyberdieb. Wer die digitale Identität kontrolliert, kann nach Gewohnheiten, Anomalien, sozialen Kontakten, Seelenzustand und Gefährdungen suchen, um zu verkaufen, zu überzeugen oder, im Extremfall, zu vernichten.
Aus dem Englischen von Matthias Fienbork.