
Russlands Kulturministerin : Allergisch gegen die Mona Lisa
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Hat sich als Managerin bei der Filmförderung bewährt: Olga Ljubimowa Bild: Reuters
Aufgeklärter Zynismus: Die neue russische Kulturministerin Olga Ljubimowa hat gepostet, klassische Musik, Theater und Museen könne sie nicht leiden. Darüber sind einige ihrer Landsleute schockiert, andere jedoch begeistert.
Das russische Kulturministerium verkehrt mit der künstlerischen Intelligenzia seit Jahren im Kampfmodus. Nach dem Abgang des Kulturministers Wladimir Medinski, der den Künsten die Kandare patriotisch-staatstragender Zwecke anlegte und unter Intellektuellen zur Hassfigur wurde, scheint seine Nachfolgerin Olga Ljubimowa die Hochkultur überhaupt zu verachten. Seit Ljubimowas Ernennung vor einer Woche zirkulieren Posts, die sie vor gut zehn Jahren ins Netz stellte. In ihnen verrät Ljubimowa, was sie alles nicht ausstehen kann – Ausstellungen, klassische Musik, Oper, Ballett. Sie habe in London das British Museum und die National Gallery sowie ein Dutzend russischer und europäischer Museen besucht, bekennt Ljubimowa, die seinerzeit für die kirchlich-nationale Fernsehsendung „Russische Sichtweise“ tätig war, und dabei ihre Zeit vertan. Sie sei in Paris, aber nicht im Louvre gewesen und habe kein Bedürfnis, die Mona Lisa zu sehen.
Die Personalie hat System
Der Vizechef von Transparency International in Russland, Ilja Schumanow, twitterte, jemandem wie Ljubimowa hätte man jeden Posten geben dürfen, nur nicht den der Kulturministerin. Doch diese Personalie hat System. Die von der Intelligenzia getragenen Proteste gegen Wladimir Putins Rückkehr nach der Interimspräsidentschaft von Dmitrij Medwedjew 2012 haben das Verhältnis der Staatsmacht zu den Intellektuellen verdorben. Damals folgte auf den europäisch gebildeten Alexander Awdejew der nationalistische Werbeprofi Medinski, der von der Kultur im Gegenzug für staatliche Subventionen Kremltreue einklagte. Dass Medinski in seiner von Historikern kritisierten Dissertation behauptet, westliche Zeitzeugen des fünfzehnten bis siebzehnten Jahrhunderts hätten die Zustände in Russland zu negativ geschildert, dass er die nachweislich erfundene Legende von den achtundzwanzig Panfilow-Rotarmisten, die im Zweiten Weltkrieg fünfzig deutsche Panzer aufgehalten hätten, als „heilige Wahrheit“ verteidigte, charakterisiert ihn als reaktionären Romantiker.
Ljubimowa, die bisher im Kulturministerium die Filmförderung leitete, steht für aufgeklärten Zynismus. Ihre Ausbildung an einem russisch-orthodoxen Gymnasium machte sie gegen die Kirche allergisch, doch dann arbeitete sie für den Informationsdienst des Moskauer Patriarchats und bezeichnet sich heute als liberale Christin. Zivile Proteste findet sie nutzlos, in einem Post verglich sie ihre Lage als russische Bürgerin mit der eines Vergewaltigungsopfers, das, wie eine Volksweisheit empfiehlt, versucht, die Sache zu genießen. Im Kulturministerium war Ljubimowa eine effektive Managerin, die die Investitionen für Kinofilme und ihre Einnahmen publik machte. Die meisten Fürsprecher hat sie deshalb in der Filmbranche, der Kinokritiker Anton Dolin sagte, er freue sich über die gut informierte, kinoverliebte und von Fanatismus freie neue Ministerin. Dass sie sich offen als überhaupt nicht „sch...“-kultivierte Person geoutet hat, wirkt auf manche geradezu erfrischend, zumal angesichts der Prüderie Medinskis, der obszöne Fluchwörter von Theaterbühnen und aus Filmen verbannte. Der Blogger Alexander Zypkin jubelt jedenfalls, dass die Kulturministerin Kraftausdrücke benutzt und dass die Landsleute sie deswegen ihrerseits mit Kraftausdrücken beschimpfen – und dass niemand dafür belangt wird.