Rosemarie Trockel zum Sechzigsten : Die Sprengmeisterin in der obersten Liga
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Mit bravouröser Halsstarrigkeit ihre Themen verfolgt: Rosemarie Trockel Bild: picture-alliance/ dpa
Dieser Feminismus ist nicht weichgespült: Die Kunst von Rosemarie Trockel ist zu beweglich, als dass Kategorien sie fangen könnten.
Es hat jetzt gut zwei Jahrzehnte gedauert, bis sich halbwegs herumgesprochen hatte, dass Rosemarie Trockel nicht - selbst strickt (jedenfalls nicht als künstlerische Betätigung). Ihre „Wollbilder“ der achtziger Jahre, die sie bekannt gemacht haben über Deutschland hinaus, sind nämlich aus sehr guten Gründen von Maschinen hergestellt. Eingestrickt sind ihnen dabei gern in serieller Manier eher herrische Motive - vom urdeutschen Wollsiegel bis zum Playboy-Häschen: Beschlagnahme der genuin männlich besetzten Leinwand durch mechanisch gefertigte Textur. Adieu, Weibchen. Die Strickbilder wird sie nie mehr los werden, will das vielleicht auch nicht; denn sie sind eine starkes Branding, Trockels Marke eben. Gemalt hat sie aber Maschen schon, feinsäuberlich verschlungen, in Acryl auf Papier.
Rosemarie Trockel gehört zu den bedeutenden lebenden Künstlern weltweit. Und das bestimmt nicht wegen irgendwelcher windiger Ranglisten, die Punkte vergeben - zum Beispiel viele Punkte für ihre Teilnahme bei der zehnten Documenta 1997 oder ihren deutschen Pavillon auf der Venedig-Biennale 1999 -, sondern weil sie mit bravouröser Halsstarrigkeit ihre Themen verfolgt. Was die Frauen ihrer Kohorte angeht, spielt Trockel in einer Liga mit Cindy Sherman, Jenny Holzer oder Barbara Kruger, mit Louise Lawler, Marina Abramovic oder Mona Hatoum.
Gelinder Schrecken
Und es ist kein Zufall, dass diese großen Künstlerinnen nicht die Malerei als ihre Domäne beackern, sondern sich mit den elektronischen Medien, den Körpern und den gesellschaftlichen wie geschlechtlichen Verhältnissen auseinandersetzen. Und noch etwas zeichnet Trockel und ihresgleichen aus: Sie sind unbedingt geprägt von einem frühen, noch nicht weichgespülten Feminismus und einer immerwachen Skepsis gegen verfestigte Normen, ja von erfreulichen Ressentiments gegenüber geltenden Rollenmodellen. Doch sie sind nicht ideologisch.
Der Witz von Rosemarie Trockel schneidet tief, und ihr Intellekt ist scharf genug, dass sie nicht in den Zynismus abgleiten muss. Zugleich macht das ihre Ironie für manche Betrachter schwerer verständlich: Denn sie will eine ganze Menge, wenn schon nicht (Vor-)Kenntnisse, so jedenfalls Geist. Beides ist nicht jedem gegeben, aber man darf sich ruhig mal ein bisschen anstrengen für diese Kunst.
Dann erkennt man, dass ihre inzwischen legendären „Herdbilder“ - also die runden Elektroplatten zum Kochen in feinen Anordnungen - als ironische Hommage an die ewigen Rasterpunkte der modernen Männerkunst dienen, aber auch als das horizontale Menetekel für das Frauenleben wirken: die Herdplatte eben als Bedrohungspotential - Achtung, heiß! - oder als Minimal Art - Achtung, schön! Ihre in solchen Arbeiten angelegten Themen hat Trockel weitergesponnen auf Zeichnungen, in Gouachen oder Assemblagen und hat sie zunehmend erweitert vor allem ins Plastische: in Schöpfungen einer teils eigensinnigen, teils boshaften Dekorationsmimikry, als wolle sie der Leute Wohnungen alternativ mit etwas gelindem Schrecken möblieren.
„I don't kehr“
Aber Rosemarie Trockels Werke können auch lachen machen. Zu ihrer Berühmtheit beigetragen hat das „Haus für Schweine und Menschen“ 1997 auf der Documenta (gemeinsam mit Carsten Höller) - ein Saustall zu wechselseitiger Betrachtung und Entspannung. Überhaupt ist ihr die Auseinandersetzung mit, man nenne es einmal, artgerechter Haltung ein Anliegen.
Bei der tollen Aktion „I don’t kehr“ zum Beispiel (im Video von Thomas Schmitt auch auf Youtube) sprengt sie eigenhändig das Modell eines trauten Eigenheims mit Dynamit in die Luft und untersucht anschließend die Reste der Einbauküche: Der längst zum Kult mutierte Schluss von Michelangelo Antonionis Film „Zabriskie Point“ lässt grüßen, muss aber nicht. Das international hohe Ansehen Trockels verdankt sich gewiss auch solchen kühnen, unbedingt überall verständlichen Botschaften. Zurzeit ehrt sie das New Museum in New York mit der Einzelschau „A Cosmos“, die zuvor in Madrid zu sehen war.
Rosemarie Trockel, geboren in Schwerte 1952 und aufgewachsen in Leverkusen-Opladen, studierte an den Kölner Werkschulen bei dem Maler und Gestalter Werner Schriefers. Aber sie ist eigentlich niemandes Schülerin im üblichen Sinn, sondern hat Anfang der achtziger Jahre ihren eigenen Laden aufgemacht. Seit 1998 ist sie selbst Professorin an der Kunstakademie in Düsseldorf.
Im Innersten setzt ihr Schaffen auf die gute Tugend der Haltbarkeit, fern von weichen Moden, doch ganz nah an der harten Haut der Wirklichkeit. Nachhaltigkeit ist da ein Hilfswort. Wertarbeit passt schon besser. Geniale Kunst trifft es. Am Dienstag, dem 13. November, wird Rosemarie Trockel sechzig Jahre alt.