Verdeckte Ermittlung : Der Verdacht
- -Aktualisiert am

Das letzte Foto des Mannes, der sich Simon Brenner nannte, aufgenommen am Abend des 12. Dezember 2010 in Heidelberg Bild: privat
Die Polizei in Baden-Württemberg dachte vielleicht, sie beuge einer Gefährdung vor. Ein paar Studenten aus Heidelberg dachten, sie hätten einen Freund gefunden. Aber dann war alles ganz anders. Die letzte Enthüllung des Jahres.
Der Mann, der sich Simon Brenner nannte, wurde zuletzt vor drei Wochen gesehen. Das war an einem kalten Dezemberabend, er stand in der Altstadt von Heidelberg, umringt von mehr als einem Dutzend Studenten, nur wenige Meter von dem Café entfernt, in dem er zwei Stunden zuvor zugegeben hatte, ein verdeckter Ermittler der Polizei zu sein.
Seither ist Simon Brenner verschwunden. Seine Wohnungen sind verwaist, die eine steht leer, in der anderen wohnen neue Mieter, die Nachbarn erinnern sich nicht an ihn. Er geht nicht mehr ans Telefon, weder an die eine, noch an die andere Nummer. Schreibt man ihm eine Email, meldet sich eine Gruppe von Computerhackern und bietet Informationen über ihn an. Es ist, wie er gesagt hatte: „Ihr werdet mich nicht wiedersehen.“
Das letzte Foto, das es von ihm gibt, zeigt einen jungen Mann mit langen rotblonden Haaren, der sich die Hand vor das Gesicht hält. Es entstand an dem Dezemberabend, an dem er verschwand.
Fest integriert im linken Milieu
Dominique Schlaag war nicht dabei vor dem Café. Es gab eine Zeit, da haben sie sich jeden Tag gesehen, und wenn sie sich nicht sahen, haben sie gemailt, mehrmals am Tag. Sie waren auf jene Art kein Paar, wie das nur sehr gute Freunde sind. Das war im Sommer. Danach, sie weiß gar nicht warum, hat er weniger mit ihr unternommen. So hat sie erst später erfahren, was passiert war.
„Eigentlich komme ich gerade erst aus der Schockphase“, sagt sie.
Dominique Schlaag hat ihn zum ersten Mal auf einer Demonstration vor dem Atomkraftwerk Biblis gesehen. Sie war mit dem SDS dort, dem Sozialistischen Demokratischen Studierendenverband, der Jugendorganisation der Linken, in dem sie sich engagiert. Jemand lud ihn auf ihr Grillfest ein. Das war Ende April. Zum 1. Mai nach Berlin sind sie dann schon mit seinem Auto gefahren.
Sie waren zu viert auf der langen Fahrt, haben geredet, gescherzt, in Berlin gingen sie demonstrieren, Sitzblockade gegen Naziaufmarsch, er und sie, fast in der ersten Reihe, die Stiefel der Polizisten nah vor ihnen. Später sind sie durch die Stadt gezogen. Er fand sich gut ein in ihre Gruppe, war offen, hilfsbereit, zuverlässig, immer fröhlich. Sie kann nichts anderes sagen. „Er war kein Fremdkörper.“
Er wirkte unabhängig und frei
Danach kam er häufiger zu ihren Treffen an die Universität, besuchte den Rosa-Luxemburg-Lesekreis, fuhr auf ein Zeltlager gegen Abschiebungen, bereitet sich auf den Castortransport vor. Einmal war er mit in Stuttgart, als es gegen den Bahnhof ging. Er ließ sich nie in politische Diskussionen verstricken und kannte sich auch mit den ganzen Abkürzungen nicht so aus. Aber sie sind nur sechs, sieben Leute beim SDS in Heidelberg, da freuen sie sich über jedes neue Gesicht.
„Er wirkte ganz unabhängig und frei“, sagt Dominique Schlaag, „das hat mich fasziniert.“
Einmal hat sie ihn gefragt, warum er erst mit vierundzwanzig Jahren zu studieren angefangen habe. Er sagte, er habe Schlosser gelernt im Betrieb seines Vaters und später in einem Erdwärmekraftwerk gearbeitet, unter Tage, das habe er nicht mehr gewollt, deshalb. Aber eigentlich sprach er nicht gern über früher.