Im Straflager : Der kleine Oligarch
- -Aktualisiert am

Das Straflager war wegen seiner Härte schon unter den deutschen Kriegsgefangenen gefürchtet Bild: DAVIDS/Hohlfeld
Er wohnte in einer Villa im Millionärsviertel, bis seine Geschäfte den Mächtigen nicht mehr passten. Nun sitzt er in einem Arbeitslager am Ural, und seine Frau fährt ihn besuchen - die Geschichte eines „Ökonomischen“.
Jeden Monat packt die Moskauer Journalistin Olga Romanowa viel saubere Wäsche, Medikamente, Mückenschutzmittel und feuchte Tücher in eine Reisetasche und besteigt den Flieger in die Uralstadt Perm. Dort nimmt sie ein Taxi, deckt sich im Supermarkt mit frischem Fleisch, Fisch, Gemüse und Milchprodukten ein und sagt, sie wolle ins hundertfünfzig Kilometer weiter nordöstlich gelegene Städtchen Gubacha. Doch kurz vor Gubacha gesteht sie dem Chauffeur, sie müsse noch fünfzig Kilometer weiter nach Norden, in die Strafkolonie Polowinka Richtung Beresniki. Kein Taxifahrer habe sich je beschwert, zumal die Strecke ja viel länger wird, sagt Olga Romanowa, aber es sei doch immer irgendwie peinlich.
Kurz vor der Kolonie versperrt ein Schlagbaum die Weiterfahrt. Das Taxi muss warten, während Olga mehrere Kilometer zu Fuß zum Aufseherhäuschen läuft, wo sie inzwischen sie Bekannte hat. Der nette Oberstleutnant gibt dem Fahrer die Durchfahrerlaubnis. Sie zahlt und lädt ihre Sachen ab. Olga besucht hier ihren Mann, einen „Ökonomischen“, wie man jene Tausende von Häftlingen in Russland nennt, die nach den Gummiparagraphen des Strafgesetzbuches, Nummer 159, Absatz vier, wegen betrügerischer Geschäftsmethoden in besonders großem Umfang, und nach Artikel 174, wegen versuchter Profitlegalisierung, verurteilt wurden. Frauen wie sie, die dem einsitzenden Gatten treu bleiben und für ihn kämpfen, tragen dafür den inoffiziellen Ehrentitel „neue Dekabristinnen“ - nach jenen Offiziersgattinnen, die nach der niedergeschlagenen Adelsrevolte 1825 ihren in die sibirische Verbannung geschickten Männern freiwillig nachfolgten.
Er sein ein gewöhnlicher Millionär gewesen
Der Ex-Finanzmanager Alexej Koslow, der jetzt im Ural Holz hackt und Wasser pumpt, ist Olgas vierter Gatte. Er sei ein gewöhnlicher Millionär gewesen, schreibt Koslow in seinem Blog, den er auf den Namen des Moskauer Untersuchungsgefängnisses Butyrka getauft hat, wo er vor vier Jahren zuerst einsaß. Er nahm Kredite auf, investierte, besaß einige Firmen, stimmte erst für Putin und dann für Medwedjew. Olga Romanowa freilich macht der Gedanke an ihr früheres „Parasiten“-Leben, als sie und Alexej in einer dreigeschossigen Villa mit Schwimmbad nahe Moskau an der Rubljowka, der Straße der Reichen, wohnten, beinahe aggressiv. Sie habe Schmuck und Pelze getragen, sich gegrämt, wenn sie zum Ferienort X statt Y fuhren und keine Ahnung gehabt von den Innereien der Politik, erinnert sie sich. Auch ihr Mann war ein Anderer. Er konnte sich über schlechten Service aufregen oder darüber, dass die Hotelhandtücher nicht flauschig genug waren und sprang oft hart mit Mitarbeitern um.
Insgeheim will sie damals schon gespürt haben, dass etwas falsch war in ihrem Leben. Sie veröffentlichte einen sarkastischen Artikel über den Oligarchen Alexej Mordaschow. Da stellte Senator Wladimir Sluzker, Geschäftspartner ihres Mannes, ihm ein Ultimatum, er müsse sich von der Journalistin scheiden lassen. Sluzker hatte selbst Ärger mit der Presse. Investigative Internetseiten wie „Antikompromat“ berichteten, wie er den früheren Kompagnon seiner Firma „Finvest“ ausgebootet und dessen Anteile seiner Frau überschrieben haben soll.
Acht Jahre Straflager
Olga Romanowa war damals bereit zu einer fiktiven Trennung. Sie wollte die Geschäfte ihres Mannes nicht gefährden. Doch für Alexej kam das nicht in Frage. Das zeigte ihr, dass dies der Mann ihres Lebens war, bekennt die leidenschaftliche Frau. Koslow trennte sich von Sluzker und machte sich selbständig. Woraufhin ihm der Senator versprochen haben soll, er werde „Straßenbelag“ aus ihm machen. Ein Jahr später, im Sommer 2007, wurde Alexej Koslow verhaftet. Der Staatsanwalt warf ihm vor, er habe mittels gefälschter Dokumente mehr als eine halbe Million russischer Aktien einer Offshore-Firma übereignet, um sie dann weiter zu verkaufen. 2009 wurde Koslow zu acht Jahren Straflager verurteilt.