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Religion und die Nation : Neolaizismus

  • -Aktualisiert am

In Frankreich flammt gerade eine bekannte Debatte wieder auf. Verfällt die Religiosität der Nation? Alte Ideologien taugen immer noch zu neuem Streit.

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          Wird Frankreich atheistisch?“ Die Zeitschrift „Le Monde des religions“ beantwortet die Frage im Oktoberheft: Die Verbreitung der „religiösen Gleichgültigkeit“ ist bedeutend ausgeprägter als das Erstarken der Fundamentalismen. Theologen und Politiker kommen zu Wort. Philosophen wurden interviewt, auch Elisabeth Badinter kommt zu Wort, das linke Gewissen des französischen Feminismus. Die einflussreichste Intellektuelle des Landes bedauerte im Interview, dass „Marine Le Pen als Einzige in der französischen Politik den Laizismus verteidigt“. Dass sie „nicht genügend Jüdin“ sei, war noch einer der harmloseren Vorwürfe, die Elisabeth Badinter gemacht wurden. Denn sie hatte ein Defizit an Laizismus auch bei den „religiösen Zionisten“ ausgemacht, deren Verhalten dem Frieden in Nahost hinderlich sei. Im zunehmend atheistischen Frankreich brach zumindest der Glaubenskrieg um die alten Ideologien mit unverbrauchter Heftigkeit aus.

          Erneuerung bei der extremen Rechten?

          Die Feministinnen und die Freimaurer protestieren. Die ehemals linken Laizisten der Bewegung „riposte laïque“, die mit Rotwein und Schweinswurstbanketten den Kulturkampf gegen die Muslime führen, spendeten Beifall von der falschen Seite. Überhaupt ist auch in dieser Debatte alles ein bisschen verlogen und verbogen. Elisabeth Badinter krebst an allen Fronten zurück: Marine Le Pen habe den Begriff instrumentalisiert, mit dem Kampf für den Laizismus aber nichts zu tun. Die gutmeinende Linke vernachlässigt ihn aus falscher Rücksicht auf den Rassismus. Aus historischer Sicht ist die extreme Rechte der hartnäckigste Feind des Laizismus. Marine Le Pen allerdings bemüht sich um eine Erneuerung. Sie geht auf Distanz zu den Piusbrüdern und dem Leugnen der Gaskammern, mit dem ihr Vater permanent kokettiert.

          Die reaktionären Katholiken in der eigenen Partei werfen ihr Verrat vor und kritisieren ihre Äußerungen zu Abtreibung und Gleichstellung. Marine Le Pen erweckt durchaus den Eindruck, als würde sie die Revolution von 1789 nicht mehr bekämpfen, sondern akzeptieren. Doch für Veränderungen beim ideologischen Urfeind sind linke Antifaschisten blind. Auch Elisabeth Badinter, die große Historikerin der Ideen und der Intellektuellen, hatte wohl kaum an mögliche Aufklärungsprozesse bei den Neofaschisten gedacht. Sondern ausschließlich die gemeinsame Ablehnung von Burka und Kopftuch im Kopf. Wie immer die junge Chefin des Front National langfristig mit dem historischen Erbe umgehen wird: Laizistin ist Marine Le Pen vorderhand aus reiner Fremdenfeindlichkeit.

          Jürg Altwegg
          Freier Autor im Feuilleton.

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