: Verliebt in Viertausender
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Das romantische Titelbild zeigt eine Landschaft mit der Rückenansicht eines Menschen, den man im ersten Augenblick für eine Nixe am Meeresstrand halten könnte, doch das Buch erzählt von "Frauen und Bergen". Florence Hervé hat gemeinsam mit der Fotografin Katharina Mayer sechzehn Frauen porträtiert, deren Leben eng mit den Bergen verknüpft ist. Die Autorin selbst begann mit vierundvierzig Jahren, höhere Berge zu besteigen, zuerst den Montblanc, zehn Jahre später den Kilimandscharo. Es reize sie die körperliche Herausforderung, zu wissen, wozu sie in der Lage sei, erklärt sie ihre Motivation. Ihr lesenswertes Vorwort rafft die Geschichte der Frauen im Alpinismus knapp zusammen. Es folgen Porträts, in Wort und Bild. Das Buch beginnt mit der abenteuerlichen Biographie von Fatima, Wirtin einer Hütte. Die junge Algerierin war mit ihren Eltern nach Frankreich gekommen, lebte auf der Straße "mit einer Bande von wunderbaren Chlochards". Nach wilden Jahren wurde sie mit ihrem Mann Hüttenwartin, verliebt in die "magische Landschaft der Viertausender". Abenteuerlich sind auch die anderen Biographien in ihren kleinen Fluchten; etwa die der drei Frauen, die das Bildungszentrum Salecina in der deutschsprachigen Schweiz leiten. Eine Gletscherforscherin, die in ihrer Freizeit mit ihrem Mann Turniertanz übt - und schließlich die Nixe vom Titelbild, eine elegante Erscheinung mit dem märchenhaftem Namen Seraina Gaudenz: Hausdame des legendären Hotel Waldhaus in Sils-Maria; gefolgt von der robusten Schäferin im französischen Jura und einer Bio-Bäuerin, die sich als "Heimwehfrau" bezeichnet. "Rebellinnen der Berge" nennt die Autorin Frauen wie die Extrembergsteigerin Destivelle und eine vierundneunzig Jahre alte Widerstandskämpferin aus den Pyrenäen. Irritierend in den Text-Porträts ist die Wir-Form, die Lebensgeschichten der Frauen sprechen für sich, eine Erzählerin, die sich in den Text einbringt, stört eher. Aber dies ist Kritik auf hohem Niveau, das Buch füllt eine Lücke, von der man gar nicht wusste, dass es sie gab. Es stellt schlichtweg Menschen in den Bergen auf eine sehr private Art vor. Zudem ist das Buch vorbildlich lektoriert, da gibt es einen Anhang mit Kurzbiographien, Adressen von Alpin-Museen, eine endlose Liste von Fachbüchern und Belletristik, durchaus nicht nur von Frauen, von Büchners "Lenz" über Stifters "Bergkristall" bis zu Jelineks Alpen-Dramen oder Aline Valangins "Bargada". Doch erst die Fotografien machen das Buch wirklich empfehlenswert. Die Porträts wecken die Neugierde auf diese Frauen, die Berge wiederum werden jenseits jedes Idylls porträtiert. Die Bilder sind wenig heiter, als hätte Mayer, um nur ja keine Berg-Postkarten abzubilden, lieber im Nebel fotografiert. Im Zweifel für die Wolke.
bär
"Frauen und Berge" von Florence Hervé und Katharina Mayer. modo Verlag, Freiburg 2006. 176 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 39,80 Euro. ISBN 3-937014-47-0.