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Rechtschreibung : “Damit ist die unsinnige Reform gekippt“

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Der saarländische Ministerpräsident ist von der Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung überzeugt

Der saarländische Ministerpräsident ist von der Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung überzeugt Bild: dpa

Der Druck auf die Ministerpräsidenten, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, wächst. Immer mehr Länderchefs sind bereit, sich von dem Reformversuch zu verabschieden. Eine Liste zu den Positionen der 16 Länder.

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          Der Druck auf die Ministerpräsidenten, zur alten Rechtschreibung zurückzukehren, wächst. Immer mehr Länderchefs sind bereit, sich von dem Reformversuch zu verabschieden. So sagte ein Sprecher des Ersten Bürgermeisters von Hamburg, Ole von Beust (CDU), der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: “Eine Rücknahme der Reform durch die Kultusminister würde an Hamburg nicht scheitern.“ Bislang verhalte sich der Senat der Hansestadt jedoch neutral.

          Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte dem Blatt, man solle jetzt “das Scheitern der Rechtschreibreform“ eingestehen. “Wir sind kurz vor dem Ziel. Jetzt können wir es wirklich schaffen, mit einem mutigen Sprung zur alten Rechtschreibung zurückzukehren.“

          Nach Ansicht von Wulff müßten die Ministerpräsidenten auf ihrer Konferenz Anfang Oktober Konsequenzen ziehen. “Viele Länderchefs sagen mir hinter vorgehaltener Hand, sie hätten von Anfang an Unbehagen gehabt, wollten ihren Kultusministern nicht in den Rücken fallen.“ Jetzt sollten sich die Ministerpräsidenten “einen Ruck geben, die klassische Rechtschreibung als Ausgangsbasis zu nehmen, um von dieser Grundlage aus für eine behutsame Weiterentwicklung zu sorgen.“ Allerdings wies Wulff auf die nötige Einstimmigkeit der Länderchefs hin. Die größte Gefahr sei, “daß sich ein Ministerpräsident querstellt und sich die anderen dann hinter ihm verstecken können. Es ist bedrückend, daß der Langsamste das Tempo bestimmen kann“.

          Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) nannte die Entscheidung der Großverlage “den entscheidenden Markstein“, der für ganz Deutschland die Rückkehr zur alten Schreibweise markiere. “Damit ist die unsinnige Reform gekippt. Wir werden nun prüfen, inwiefern wir in allen Bereichen der Landesverwaltung nur noch die alte Rechtschreibung anwenden werden.“

          Der Chef der nordrhein-westfälischen CDU, Jürgen Rüttgers, sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: “Als erstes sollten die Ministerpräsidenten nach der Sommerpause die endgültige Einführung der Reform stoppen und diese wichtige Frage nicht ausschließlich den Kultusministern überlassen.“ Die CDU werde nach einem Wahlsieg bei der Landtagswahl im Mai 2005 dafür sorgen, daß man zu den bewährten Regeln zurückkehrt.

          Bei CDU und FDP wird der Schritt von Springer und “Spiegel“ gelobt. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: “Ich begrüße es ausdrücklich, daß große deutsche Verlage zur alten Rechtschreibung zurückkehren.“

          Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Wolfgang Gerhardt, hält die Rechtschreibreform für gekippt. “Damit ist der Versuch gescheitert, unsere Sprache gegen den Willen des Volkes in ein künstliches Korsett schnüren zu wollen“, sagte Gerhardt der Zeitung. Er freue sich darüber und werde “meiner Fraktion im Bundestag und allen Mitarbeitern empfehlen, fortan nur noch die alte Schreibweise zu benutzen.“

          Bayern: Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Stoiber glaubt, daß die neuen Regeln der Rechtschreibung zum Teil wieder geändert werden müssen. Er werde in die Diskussion bei der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang Oktober „ergebnisoffen“ hineingehen.

          Baden-Württemberg: Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) will nach Angaben eines Sprechers des Staatsministeriums den Beratungen in der Ministerpräsidentenkonferenz nicht vorgreifen. „Daß in der Rechtschreibreform übers Ziel hinaus geschossen wurde, ist aber offensichtlich.“

          Berlin: Berlins Schulsenator Klaus Böger (SPD) hat sich deutlich für die Beibehaltung der neuen Rechtschreibregeln ausgesprochen. In den Berliner Schulen werde sich am Prinzip der neuen Rechtschreibung nichts ändern.

          Brandenburg: Brandenburgs Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) hat sich gegen eine Rücknahme der Rechtschreibreform gewandt. Reiche warnte in der „Berliner Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) vor den finanziellen Problemen nach einer Rücknahme der Reform.

          Bremen: Der Sprecher des Bremer Bildungssenators sieht keine Veranlassung zur Rücknahme der Reform. „Wir halten an der Reform, wie wir sie beschlossen haben, erst mal fest.“

          Hamburg: Der Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sagte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: “Eine Rücknahme der Reform durch die Kultusminister würde an Hamburg nicht scheitern.“

          Hessen: Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hält eine Rücknahme der Rechtschreibreform für nicht mehr zu machen. Der Termin sei verpaßt worden, inzwischen sei schon eine ganze Schülergeneration durch die neuen Regeln gejagt worden, sagte Koch Ende Juli.

          Mecklenburg-Vorpommern: Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) hält an der Rechtschreibreform fest. Die Reform sei einstimmig von Bund und Ländern beschlossen worden.

          Niedersachsen: Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU) hat seine Ministerpräsidenten-Kollegen dazu aufgerufen, die Rechtschreibreform im Herbst zurückzunehmen. Wulff sagte der „Bild am Sonntag“, in den vergangenen Wochen hätten sich immer mehr Ministerpräsidenten hinter seine Forderung gestellt.

          Nordrhein-Westfalen: Das Düsseldorfer Schulministerium will an der Reform festhalten. Die neuen Regeln hätten sich in den Schulen bewährt, ließ Schulministerin Ute Schäfer (SPD) erklären.

          Rheinland-Pfalz: Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD), will an der Rechtschreibreform festhalten. Beck kritisierte im „Tagesspiegel“, der Vorstoß der Axel Springer AG und des Spiegel- Verlags habe „viel mit Kampagne und Public Relations, wenig mit Inhalt zu tun“.

          Saarland: Peter Müller, saarländischer Ministerpräsident und erklärter Gegner der neuen Rechtschreibung hat die Rückkehr von Axel Springer AG und Spiegel-Verlag zur alten Rechtschreibung gelobt. „Damit ist natürlich ein neues Faktum gesetzt“, sagte der CDU- Politiker.

          Sachsen: Sachsen ist für eine Beibehaltung der Regelung: „In den Schulen, Verwaltungen und auch Firmen mühen sich alle seit sechs Jahren, die neue Rechtschreibung zu lernen und zu schreiben. Sie mag noch nicht von allen perfekt beherrscht werden. Aber wenn wir jetzt zur alten Rechtschreibung zurückkehren, wäre die Verwirrung komplett“, sagte Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU).

          Sachsen-Anhalts: Sachsen-Anhalts Bildungsstaatssekretär Winfried Willems hat die angekündigte Rückkehr der Verlage Axel Springer und Spiegel zur alten Rechtschreibung kritisiert. Die neue Rechtschreibung sei durch alle Bundesländer beschlossen und von der Kultusministerkonferenz im Juni 2004 nochmals einstimmig bestätigt worden.

          Schleswig-Holstein: Eine Rückkehr zur alten Rechtschreibreform lehnt Schleswig-Holstein ab. „Eine Rückkehr zur alten Schreibweise sorgt nur für überflüssige Verunsicherung an den Schulen“, sagte Kultusministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD).

          Thüringen: Thüringen wird nach Aussagen von Kultusminister Jens Goebel (CDU) bei der Rechtschreibreform nicht zurückrudern. Es könne nicht angehen, daß durch die Willensbekundung von Verlagen über das Schicksal der Reform entschieden werden könne.

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