Raelianer-Sekte : So ihr nicht werdet wie die Klonkinder
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Mit einem Ufo wirbt die Raelianer-Sekte auf ihrer Webseite Bild:
Claude Vorilhon alias Rael, Führer der Raelianer-Sekte, äußert sich in einem nachweihnachtlichen Telefongespräch über die Mars-Express-Mission, Bushs Weltpolitik und den Vatikan.
Ausgerechnet am Schicksal des verstummten Roboters, der in der Weihnachtszeit nach Leben auf dem Mars suchen sollte und offenbar im Staub versank, nimmt Claude Vorilhon keinen Anteil. Der Führer der Raelianer, der sich ansonsten über jede Errungenschaft der Technik - von der automatischen Toilettenreinigung in japanischen Tempeln bis hin zum genetisch aufgerüsteten Reis in Indien - mit kindlicher Begeisterung ausbreitet, bedenkt die Mars-Express-Mission bloß mit einer zerstreuten Floskel: "Das interessiert uns weniger." Hat Rael, der seinen Künstlernamen im Dezember 1973 von der Besatzung einer fliegenden Untertasse empfing und seitdem die Abstammung der Menschheit von außerirdischen Klonvätern predigt, den Glauben an Botschaften aus dem All verloren?
Während die Welt an diesen Weihnachtstagen vergeblich auf Signale vom Mars hoffte, begann genau ein Jahr zuvor das Warten auf Lebenszeichen jenes Klonkindes, dessen Verkündigung durch die Chemikerin Brigitte Boisselier ihr weltanschaulicher Leiter mit der Weihnachtsbotschaft verglich (F.A.Z. vom 31. Dezember 2002). Daß jeder Beweis für die Menschwerdung der Gentechnik ausblieb und Rael nun in seiner Winterresidenz in Miami zusammen mit Brigitte Boisselier den ersten Geburtstag eines Kindes feierte, über dessen Aufenthalt und Wohlbefinden er nach eigenem Bekunden ebensowenig weiß wie der Fragesteller, verwundert wohl nur naivste Technikjünger. Immerhin sprach im vergangenen Jahr selbst ein vom Weltlauf enttäuschter Papst vom Schweigen Gottes - und die Debatte um die Macht der Lebenswissenschaften ging im Dröhnen der Militärmaschine unter.
Angsthasen
Auch die Raelianer versuchen, die Angst vor den Klonkriegern durch den Hinweis auf die Golfkrieger zu zerstreuen. "Niemals herrschte bei den Vereinten Nationen Einhelligkeit über den Irak-Krieg", kommentiert Rael die Pläne zu einem internationalen Klonverbot. "Aber bei der Verdammung des Klonens, das niemals jemanden getötet hat, sind sich alle einig." In ihrer Ablehnung von Bushs Weltpolitik könnten die Raelianer - ihre Internetseiten warnen vor Satelliten, die krebserzeugende Strahlen auf Amerika-Kritiker richten - sogar ein Bündnis mit dem Papst ausrufen. Schließlich verlieh Rael dem obersten Kriegsgegner Michael Moore, den er als Vorbild für die Jugend preist, im Frühjahr den Titel eines "Ehrenführers der Raelianer" - wie zuvor bei George Michael und Madonna ohne die Zustimmung des Geehrten.
Trotzdem fühlt sich die aus Vorilhons Heimatland Frankreich stammende Sekte nicht als Teil einer alteuropäischen Koalition der Unwilligen. Zu stark sei in Europa der Einfluß des "katholisch-jüdischen Erbes". Die meisten ihrer rund sechzigtausend Bekenner, nämlich fünftausend, habe die Bewegung in Japan, wo eine Mischung aus Meditation, High-Tech, Schönheit und Tradition das Leben bestimme. Gleichwohl feierte Seine Heiligkeit Rael den dreißigsten Jahrestag seiner Erleuchtung vor wenigen Wochen mit fünfhundert Jüngern in einem Berghotel im Schweizer Skigebiet Crans-Montana. Zwar rief Rael dort für 2003 das "Jahr des Atheismus" aus, doch zugleich suchte er Anschluß ans Geistesleben Europas. "Ich war froh, daß Künstler wie Gianni Motti und Schriftsteller wie Michel Houellebecq kamen. Bisher waren die meisten europäischen Intellektuellen Angsthasen, die keinen Standpunkt bezogen." In Houellebecq, der Rael gegenüber einer Schweizer Illustrierten einen "netten und umgänglichen Menschen" nannte, fand der Sektenführer sogar einen Freund: "Er ist kein Raelianer, aber er teilt unsere Werte."