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Putin gegen freie Medien : Vergeltung

Kündigte die Vergeltungsmaßnahmen an: Dmitrij Peskow, hier im vergangenen Dezember in Moskau. Bild: AFP

Moskau redet von Pressefreiheit und wirft die Deutsche Welle aus dem Land. Wie passt das zusammen? Geradezu perfekt, wenn man der Propaganda des Kreml folgt.

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          Aus dem Mund des Kremlsprechers Dmitri Peskow klingt der Satz wie der Zynismus des Jahres: „Das ist nichts anderes als ein Anschlag auf die Freiheit des Wortes“, sagte er am Donnerstag.

          Er meinte das Sendeverbot für RT DE, den deutschsprachigen Arm des russischen Staatsfernsehens, das die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) der Landesmedienanstalten am Mittwoch ausgesprochen hat. Und was folgt? Vergeltung, wie sie der Kreml zuvor angekündigt hatte: Die Deutsche Welle wird des Landes verwiesen, das Moskauer Büro geschlossen, die Journalisten verlieren ihre Akkreditierung. Andere Korrespondenten werden ausgehorcht, und die Deutsche Welle gilt bald vielleicht als „ausländischer Agent“.

          Die Freiheit, die Putin meint

          Wie verträgt sich das mit der von Peskow beschworenen Pressefreiheit? Ganz wunderbar selbstverständlich nach der Lesart des Kremls. Die Freiheit, die Putin meint, bedeutet nämlich, dass er unabhängige Medien und kritische Berichterstatter aus dem eigenen Land als „ausländische Agenten“ brandmarkt, wirtschaftlich ruiniert, kriminalisiert, ins Gefängnis wirft. Medienhäuser aus anderen Ländern werden aus dem Markt gedrängt, Vasallen mutieren zu Medienzaren. Währenddessen marschieren die Propagandatruppen des Kremls in der ganzen Welt auf, beanspruchen für sich die Freiheiten, die ihr Dienstherr den Bürgerinnen und Bürgern seines Landes und richtigen Journalisten verweigert, die nicht, wie RT DE es tut, verquaste Verschwörungstheorien im Sinne der staatlichen Propaganda verbreiten.

          Wie wichtig dieses Staatsfernsehen für Putin ist, kann man an der massiven Reaktion erkennen. Die Propagandastationen wirken auf die Meinungsbildung in den Ländern des Westens ein, in der EU insbesondere. Sie verharmlosen Putins Kriegstreiberei, verbreiten seine Lügen, stellen die Legitimität demokratisch gewählter Regierungen infrage und hofieren extreme Gruppen wie die von rechts außen bis links außen reichende Corona-Leugner-Front.

          Das macht RT DE von früh bis spät und hatte es noch nicht einmal nötig, eine Sendelizenz zu beantragen. Da fiel es der Medienaufsicht leicht, zu sagen: Das ist ein Sender, er bietet lineares Programm, sitzt in Deutschland, hat keine Lizenz, was bedeutet – Sendeschluss. Der Verweis von RT DE, man habe eine Lizenz in Serbien, verfing ebenso wenig wie der Versuch, sich als kleines Außenstudio auszugeben. Verbreiten kann sich RT DE nach wie vor, wenn der Sender etwa auf das lineare Programmschema verzichtet und sein Angebot auf Abruf bereithält, wie es bereits geschieht. Betätigen dürfen sich die Mitarbeiter von RT DE ebenfalls weiter. In Deutschland gilt die Pressefreiheit. Ganz anders ist es im Reich Putins. Er führt einen Propagandakrieg, mit allen Mitteln.

          Michael Hanfeld
          verantwortlicher Redakteur für Feuilleton Online und „Medien“.

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