
Proteste gegen Polanski : „Fortan hauen wir ab“
- -Aktualisiert am
Proteste von feministischen Aktivistinnen bei der Verleihung des César-Filmpreises in Paris Bild: AFP
Die Vergabe des Filmpreises César war eine rundum peinliche Vorstellung. Der Aufstand der Frauen hatte heilsame Wirkung. Aber die Pläne von Virginie Despentes und anderen französischen Intellektuellen gehen weiter.
„Feuer in der Akademie“ titelt „Libération“. Die Zeremonie zur Vergabe der Filmpreise César war eine rundum peinliche Vorstellung. Der Aufstand der Frauen – nicht nur gegen Polanski – hatte in der Filmakademie zum heilsamen Rücktritt der Verantwortlichen geführt. Noch am Morgen der Veranstaltung fiel Frankreichs Kulturminister Franck Riester aus seiner Rolle, als er sich gegen eine Krönung Roman Polanski zum besten Regisseur aussprach.
Dieser war wieder einmal gar nicht erst gekommen. Vor der Salle Pleyel gab es heftige Demonstrationen. Als sein Film „Intrige“ nach mehreren Preisen auch noch den César für die beste Regie bekam, erhob sich Adèle Haenel und verließ die Veranstaltung: „Eine Schande.“ Sie hatte ihr Outing als jugendliches Opfer von sexueller Gewalt mit heftigen Angriffen auf Polanski verknüpft, der nun endgültig als großer Sieger des Abends feststeht. Und dies auf Kosten des Films „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ von Céline Sciamma, in dem Haenel die eindrückliche, nach ästhetischen, politischen und auch noch moralischen Kriterien preiswürdige Hauptrolle spielt.
„Fortan hauen wir ab“
Es gab daneben einen zweiten Sieger, „Les misérables“ (Die Wütenden) von Ladj Ly. Dessen Talent war nach dem Aufstand 2005 in den brennenden Banlieues erkannt und gefördert worden. Dass er wegen Entführung und körperlicher Gewalt ein Jahr im Gefängnis saß, war nie ein Thema, und die Nachsicht der Feministinnen um so erstaunlicher, als es um eine Muslimin geht, die ein außereheliches Verhältnis unterhält. Dass Adèle Haenel am Vorabend der Zeremonie in der „New York Times“ den auch wegen Beamtenbeschimpfung mehrfach verurteilten Ladj Ly als Vorbild und „Ausnahme im rassischen Kino“ bezeichnete, mutet schon merkwürdig an.
Nach ihr verließ auch die Schriftstellerin Leïla Slimani den Saal. „Fortan hauen wir ab“, schreibt Virginie Despentes in „Libération“ und verklärt den Auszug von Adèle Haenel zum emblematischen Aufbruch. Sie lobt die Moderatorin Florence Floresti, die plötzlich nicht mehr auf der Bühne erschien. Despentes erwähnt das 25-Millionen-Budget für Polanski und hält ihr die Misere von Außenseitern wie Ladj Ly entgegen. Die Frauen sind nicht mehr Musen, sondern Avantgarde: In Despentes’ Aufruf zum Klassenkampf geht es gegen die Macht schlechthin, Macrons Rentenreform und die Gewalt der Polizei: „Feiert und demütigt, wen ihr wollt. Tötet, vergewaltigt, beutet aus, schlagt zusammen. Nicht der Unterschied zwischen den Geschlechtern, sondern zwischen Herrschenden und Unterdrückten ist entscheidend.“
