Präimplantationsdiagnostik : Man wird mehr und noch mehr Embryonen brauchen
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Nach dem Embryonenschutzgesetz ist die Herstellung von höchstens drei Embryonen pro Zyklus zulässig. Nicht jeder hält sich daran Bild: dapd
Eine Änderung wäre wohl zu heikel: Der Gesetzentwurf zur Freigabe der PID auf Erbkrankheiten lässt das Embryonenschutzgesetz intakt - weil man damit kalkuliert, dass das Gesetz heute schon gebrochen wird.
Am Donnerstag der kommenden Woche wird der Bundestag über die Präimplantationsdiagnostik (PID) abstimmen. Die Abgeordneten haben auch abzuwägen, ob die drei Gesetzentwürfe die Materie transparent regeln und klare Vorgaben für die Zukunft schaffen. Wichtigste Aufgabe eines Gesetzes, das umstrittene und schwierige ethische Fragen regelt, ist es, Rechtsfrieden durch Rechtssicherheit zu schaffen. Dieses Ziel dürfte jedenfalls mit dem von einer Abgeordnetengruppe um Ulrike Flach (FDP) und Peter Hintze (CDU) eingebrachten Gesetzentwurf nicht erreicht werden. Der Entwurf Flach-Hintze will die PID zur Ermittlung einer schwerwiegenden Erbkrankheit und zur Vermeidung einer Fehl- oder Totgeburt zulassen.
Für eine PID werden mindestens sieben Embryonen pro Zyklus benötigt. Das stellt das unlängst veröffentlichte Memorandum der Bundesärztekammer fest und das ist Stand der Wissenschaft, Technik und Praxis im Ausland. Nach dem Embryonenschutzgesetz ist aber nur die Herstellung von höchstens drei Embryonen pro Zyklus zulässig. Wenn, etwa zur Vermeidung einer höhergradigen Mehrlingsschwangerschaft, geplant ist, nur zwei Embryonen zu übertragen, wie dies die Richtlinie der Bundesärztekammer zur assistierten Reproduktion für Frauen unter 38 Jahren vorsieht, dürfen sogar nur zwei Embryonen hergestellt werden. Nach der „Dreierregel“ des Embryonenschutzgesetzes wird bestraft, wer es unternimmt, mehr Embryonen herzustellen, als der Frau innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen, und übertragen werden dürfen höchstens drei Embryonen. Ziel dieser zentralen Vorschrift des Embryonenschutzgesetzes ist es, die Entstehung überzähliger Embryonen, also solcher, die nicht übertragen werden können oder sollen, zu vermeiden.
Unsichere Prognose des Arztes
Der bisherigen Diskussion im Bundestag und der Anhörung im Gesundheitsausschuss ist zu entnehmen, dass Flach, Hintze und Kollegen keineswegs die Absicht haben, die PID im unpassenden Korsett der Dreierregel einzuführen. Die Erfolgschancen einer Schwangerschaft nach PID, die ohnehin nicht hoch sind, gingen dann gegen null. Nach der Logik des Gesetzentwurfs wäre also eine Änderung der Dreierregel nötig. Die Sachverständigen, die sich in der Anhörung im Gesundheitsausschuss zur Dreierregel geäußert haben, verlangten eine Klarstellung. Eine Anpassung der Dreierregel für die PID sucht man im Entwurfstext aber vergebens. Wie das? Der Vorschlag einer Änderung dieser zentralen Norm war den Autoren des Gesetzentwurfes wohl zu heikel. Die Chancen ihres Entwurfs hängen auch von der Vorgabe ab, dass keine grundlegenden Eingriffe in das Embryonenschutzgesetz erfolgen sollen.
Im Bundestag werden derzeit diejenigen beschwichtigt, die den Widerspruch sehen und Klärung suchen: Es wird gesagt, dass in der regulären Praxis der In-vitro-Fertilisation die Dreierregel oft gar nicht mehr entsprechend ihrem Wortlaut angewendet werde. Vielmehr werde sie in der Praxis schon entsprechend den Erfordernissen des technischen Fortschrittes uminterpretiert: Der Arzt dürfe, so heißt es, eine Misserfolgsquote einkalkulieren und dürfe so viele Embryonen pro Zyklus herstellen, wie nach seiner Prognose bei dem betroffenen Paar erforderlich sind, um schließlich zwei oder drei seiner Prognose nach „entwicklungsfähige“ Embryonen zur Übertragung zu haben. Da die Prognose des Arztes aber unsicher ist (aus Embryonen, die vom Arzt als weniger entwicklungsfähig angesehen wurden, werden öfters gesunde Kinder und Embryonen, die als eher entwicklungsfähig eingestuft werden, gehen oft unter), entstehen dann überzählige Embryonen, was nach dem Embryonenschutzgesetz vermieden werden soll und bei Anwendung der Dreierregel entsprechend ihrem Wortlaut auch vermieden werden konnte.