Udo Lindenberg in Frankfurt : „Wassfürn gigantischaempfang“
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Nimmermüde: Udo Lindenberg beim letzten seiner drei Deutschlandkonzerte Bild: Kühfuss, Patricia
Udo feiert Udo, wie er swingt und kracht: Der nimmermüde über die Bühne hastende Rockopa ist der Motor der Deutschrockmaschine, der so viele entdeckt und gefördert hat. Auch beim Tourfinale in Frankfurt blieb er nicht allein auf der Bühne.
Udo ist tot, die Queen macht winke, winke auf dem Römerberg, und der Mann mit dem Hut macht konsequent sein Ding. Aber nicht allein. „Ich mach mein Ding“, brüllt die Masse seiner mühseligen und beladenen Fans im Chor mit dem Meister, dabei ist Udo Lindenberg, deutschsprachmächtigster Rocker der Nation und „Panikpräsident“ von eigenen Gnaden, an diesem Samstagabend in Frankfurt tatsächlich der Einzige weit und breit, der genau sein Ding macht. Nach sage und schreibe dreiunddreißig Alben erreichte Deutschlands berühmtester Hutträger und Hotelinsasse mit seinem Album „Stark wie zwei“ von 2008, auf dem das „Ding“ enthalten ist, zum ersten Mal Platz eins der deutschen Albumcharts; seitdem ist der Panikrocker Udo Lindenberg, längst Markenzeichen seiner selbst, Deutschlands integerster und integrativster Rocker.
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Mehr erfahrenEr hatte und hat sie alle und seine Fans schon mit den ersten Songs („Odyssee“, „Die Heizer kommen“, „Boogie-Woogie-Mädchen“) in der Tasche. Dass er sich als Aufwärmer und Einheizer ausgerechnet Bülent Ceylan geholt hat, Deutschland dümmsten Komiker, ist da längst vergessen. Die Prolegomena seines Frankfurter Stadionabends sind schnell abgehandelt. „Wassfürngigantischaempfang“, nuschelt er ins fast ausverkaufte vormalige Waldstadion und feiert Frankfurt als „die Panik-Hauptstadt“. Nach Hannover und Berlin war es die letzte Station seiner nur drei Konzerte umfassenden sommerlichen Stadiontournee. Für Sekunden schwelgt der bald Siebzigjährige in Erinnerungen: „Cooky’s, Batschkapp, Jazzkeller, Albert Mangelsdorff, Free und natürlich die erste große Rock-Revue damals in der Festhalle.“ Ja, das waren noch Zeiten, aber Lindenberg trauert ihnen nicht nach, er macht einfach weiter. Nämlich sein Ding. Schließlich ist er in Frankfurt: „Goethe, Adorno, Marcuse – und natürlich der Erfinder vom Äppelwoi, Joschka Fischer.“
Damit sind die Koordinaten gesetzt, und Kant, der Erfinder des „Dings an sich“, schwingt deutlich hörbar mittenmang. Doch so wie Kants Ding, Hegel zufolge, „jenseits des Denkens“ bleibt, so funktioniert ein Lindenberg-Konzert jenseits der Musik. Die rumpelt brav irgendwo zwischen Goodtime-, Power- und Balladenrock, und Lindenbergs Panik-Orchester („seit 150 Jahren betreutes Rocken“) liefert das so solide wie unauffällig und gleicht damit ganz auffällig dem Publikum. Denn hier tobt ein Volksfest im allerbesten Sinne. Von acht bis achtzig ist alles da, Kinder an Elternhänden, Greisinnen an Stöcken, alles schlendert oder schleppt sich durch den Frankfurter Stadtwald zur Audienz beim Gottvater des Deutschrock.
Etliche Fans tragen Hut und Sonnenbrille, sie nennen sich „Udonauten“ und verehren den Mann, der ihnen seit mehr als vierzig Jahren, seit 1972 seine Langspielplatte „Daumen im Wind“ erschienen ist, mehr oder weniger rockige Unterhaltungsmusik mit meist sehr launigen und oft sogar originellen Texten vorsetzt. Keiner setzt Worte wie Lindenberg, und bis heute, fast fünfzig Jahre nach Karrierebeginn, ist der Wahlhamburger aus Gronau allgegenwärtig: Jeden Sonntag um Viertel nach acht trommelt er Deutschlands Krimigemeinde zusammen, denn schon bei Klaus Doldingers Einspielung der „Tatort“-Titelmelodie von 1970 drosch er das Schlagzeug.