„The Rifles“ : Die nächsten, bitte
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„The Rifles” rocken in Berlin Bild: F.A.Z.-Foto Matthias Lüdecke
Schon wieder eine Britrock-Band? Die „Rifles“ sind vielleicht nicht die aufregendste, sicherlich aber die aussichtsreichste Band dieses Jahres. Davon konnte man sich im Berliner Lido überzeugen.
Wellen haben es an sich, daß immer eine neue kommt; im Britrock geschieht das im Moment etwa alle drei Monate. Nun also die „Rifles“: Im Osten Londons aufgewachsen, kam Luke Crowther und Joel Stoker ausgerechnet auf einem „Oasis“-Konzert die Idee, eine eigene Band zu gründen. Ein paar Jahre und einige Lobeshymnen in der britischen Musikpresse später betreten die vier Jungs die Bühne im Berliner Lido, stilecht mit Buttons, Röhrenjeans und Chucks ausgestattet. Das ist doch ein wenig zu klischeehaft, könnte man meinen und, nach unzähligen Bands dieses Stils in den letzten Jahren, müde abwinken.
Oder noch einmal genauer hinschauen. Schließlich kann es nicht von ungefähr kommen, daß sich ausgerechnet Produzentenlegende Ian Broudie, Mitbegründer der „Lightning Seeds“ und Veredler der Alben großartiger „The“-Bands wie „The Coral“ und „The Zutons“, sich der Band angenommen und mit ihnen ihr Debüt „No Love Lost“ aufgenommen hat. Was also unterscheidet die „Rifles“ von der Masse der allerjüngsten Indie-Welle?
Zuerst einmal sind sie im Durchschnitt älter als zum Beispiel die Jungspunde von „The Subways“, den „Sugarplum Fairy“ aus Schweden oder den „Arctic Monkeys“. Das allein macht noch keinen Qualitätsunterschied aus, doch zwischen ihrem Alter und der Sicherheit, mit der sie live ihre Instrumente beherrschen, könnte ein Zusammenhang bestehen. Diese Souveränität ist bestechend, da gibt es keine Unsicherheiten, unaufgeregt und fehlerlos spielen die „Rifles“ eine gute Stunde. Die Energie der Musik überträgt sich auch ohne wilde Bühnenperformances, denn spätestens bei der bereits 2004 erschienenen Debüt-Single der Band, „Peace And Quiet“, verwandelt sich das Publikum in einen hüpfenden und singenden Mob.
Unironisch und ernsthaft gegen den Hype
Die Texte handeln von den kleinen Dingen, von Freunden, die sich unmöglich benehmen, wenn sie betrunken sind, oder von einem Veteranen, der sich bevorzugt in der örtlichen Kneipe aufhält und Geschichten aus seinem Leben erzählt, die niemand mehr hören will. Diese Beobachtungen aus dem Alltag sind jedoch immer in einem abgeklärten Tonfall verfaßt, der die Weltsicht des Quartetts widerspiegelt. „She's got Standards“ handelt zwar von einem Groupie, zeigt jedoch, daß sich die Band der Klippen der Musikindustrie und ihrer rasch wechselnden Hypes bewußt ist: „If you're a new band breaking / be aware 'cos she'll never leave your side / 'Cos if the NME say, you're so cool and they really like your style / she'll be down south, Top Ten in her mouth with the blink of an eye / she'll be top draw on the backstage floor till the new band arrives.“
Die Liste der musikalischen Einflüsse reicht bei den „Rifles“ von den Klassikern der sechziger Jahre wie den „Beatles“ und den „Kinks“, „The Clash“, „The Jam“ und „The Smiths“ bis zum klassischen Neunziger-Jahre-Britpop. Doch die Band macht weder reinen Retrorock, noch versucht sie, den Rock 'n' Roll als Spiel mit Zitaten neu zu erfinden. Sosehr in ihren Texten sonst das Augenzwinkern eine Rolle spielt, so unironisch und ernsthaft gehen sie mit dem musikalischen Erbe um. Wenn bei „Spend a Lifetime“ die elektrische gegen eine akustische Gitarre getauscht wird und der Bassist die Melodika an den Mund führt, ohne eine Miene zu verziehen, wird auch dem letzten klar, daß die Sache ernst genommen wird. Diese Band hat mit ihrer Gradlinigkeit das Potential, ein paar ihrer Songs zu Klassikern werden zu lassen. Die „Rifles“ sind sicherlich nicht die aufregendste Band dieses Jahres, aber vielleicht eine der aussichtsreichsten.
Weiterer Auftritt
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Dienstag, 26. September 2006: Karlstorbahnhof, Heidelberg