Radiohead-Gitarrist : Nicht ganz leicht nachzuspielen
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Grundsympathisch und bescheiden: Ed O’Brien Bild: dpa
Der Radiohead-Gitarrist Ed O’Brien ist sich nicht zu schade, seinen Zuschauern zu erklären, wie man G-Dur greift. Und er hat unter dem Namen EOB ein wunderbares Soloalbum aufgenommen: „Earth“.
Kein Zweifel – Radiohead sind seit einem Vierteljahrhundert eine der größten Bands des Planeten. Wer in dieser Gruppe Gitarre spielt, ist im Rockolymp angekommen. Dass man sich dort oben auch ganz uneitel und unpätentiös verhalten kann, beweist Ed O’Brien.
Vor ein paar Monaten hat der Radiohead-Gitarrist ein Video gepostet, in dem er erklärt, wie man den wohl immer noch bekanntesten Radiohead-Song „Creep“ spielt. Er ermutigt wirklich jeden, der es einmal mit diesem Lied versuchen möchte. „‚Creep‘ is really easy to play“, versichert er. Es sei ein „very very simple Song“. Zumindest braucht man, um ihn auf der akustischen Gitarre zu spielen, nur vier Akkorde, die schleifenförmig wiederholt werden. Ed O’Brien ist sich nun nicht zu schade, seinen Zuschauern Saite für Saite und Finger für Finger zu erklären, wie man G-Dur greift. Man reibt sich die Augen über diese Pädagogik des „Anyone can play guitar“, wie ein anderer früher Radiohead-Song hieß. Denn Youtube ist längst ein Tummelplatz für Tausende von Premium-Gitarristen und studierten Super-Schreddern, die hier ihre Virtuosität ausstellen, um etwa die Zuschauer zu animieren, bei ihnen Online-Kurse zu buchen. Fast alle diese Könner beginnen ihre Videos damit, dass sie erst einmal ein kurzes Imponiersolo hinlegen. Nicht so Ed O’Brien, dieser offenbar grundsympathische und bescheidene Mann.
Technoider Wachmacher-Beat
Dass er sich breitbeinig vors Publikum stellt, wäre ganz undenkbar. Für den optischen Mehrwert mit zuckenden Bewegungen und ruderndem Schlagarm ist bei Radiohead Jonny Greenwood zuständig. O’Brien wirkt eher wie ein gelassener Soundingenieur, kein Rhythmus-, sondern ein Texturengitarrist, der Loops, Licks, sphärisch-keyboardhafte Klänge und kontinuierlich perlende Arpeggios in die komplexen Schichtungen der Radiohead-Songs gibt. Sein bevorzugtes Instrument ist eine speziell für ihn gefertigte Fender Stratocaster mit Sustain-Pickup, das auch dezent gespielten Tönen ein langes Nachleben beschert.
Nun hat Ed O’Brien unter dem Signum EOB mit einer Riege renommierter Musiker zum ersten Mal ein Soloalbum eingespielt. Natürlich hört man auf „Earth“ viel Gitarre, ohne dass das Album jedoch nach Gitarrenrock klingen würde. Viele der Songs sind sehr ruhig gehalten. Bei allen elektronischen Zugaben dominieren gezupfte oder gepickte akustische Gitarren. „Cloak of the Night“ und „Sail on“ zum Beispiel erinnern an die folkig-versponnenen, sanftmütig gesungenen und noch ganz unmonumentalen Lieder, wie sie Pink Floyd um 1970 geschrieben haben. Auch das über acht Minuten lange Stück „Brasil“ beginnt als Folksong, fast schlafliedhaft, aber dann setzt nach dreieinhalb Minuten ein technoider Wachmacher-Beat ein, über den Ed O’Brien die restlichen vier Minuten mit unbeirrbarer Ausdauer ein Arpeggio spielt.