Tara Nome Doyle : Die dunklen Seiten der Seele
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Kreuzbergerin, Weltbürgerin und womöglich auf dem Weg zum Star – die Musikerin Tara Nome Doyle Bild: Sonja Stadelmaier
Im Lockdown ist auch großer Pop entstanden. Zum Beispiel das Album „Vaermin“ der deutsch-irisch-norwegischen Sängerin Tara Nome Doyle.
Von wegen Liebeslieder! Wenn Tara Nome Doyle singt, geht es um Schnecken, Schlangen und Spinnen. In einem ersten Video zu ihrem neuen Album kriechen und krabbeln Insekten über Obst und nackte Arme. Und dazwischen steht diese junge Frau, schlank, groß, Arme verschränkt, Blick nach unten. Mit dem scharf geschnittenen Pony und dem langen Kleid sieht sie aus wie eine der Alltagswelt weit entrückte Kunstfigur, wie die Björk der Achtziger oder die junge Dolores O’Riordan von den Cranberries.
Ohne den Zorn natürlich. Oder ist der bloß versteckt? Die Musik von Tara Nome Doyle, deren Album „Vaermin“ Ende Januar erscheint, ist einerseits kluger Singer-Songwriter-Pop mit Klavier. Und sie ist andererseits ein psychologisches Vexierspiel: In den Texten geht es um Konzepte des Psychoanalytikers C. G. Jung. Um den Schatten und die Persona, die dunkle Seite der Seele und die von außen sichtbare und beider ständigen Widerstreit. Aber insgeheim sind es doch Liebeslieder: Manchmal denkt man bei diesen Lyrics, es gehe um eine Beziehung, in der zwei nie ganz zueinanderkommen. „I’ll bleed – if you want me to – I’ll bleed“, singt sie, und zwar von Blutegeln. Oder doch von gebrochenen Herzen?
Kreuzbergerin und Weltbürgerin
„Die Kriechtiere und Würmer, um die es in den Songs vordergründig geht, sind ein Symbol. Für das, was wir ablehnen, was Ekel erzeugt – auch in uns drin“, sagt sie dazu. Beim Treffen in Berlin sitzt da auch keine Kunstfigur, sondern eine junge Frau, die schnell denkt und viel spricht. Die sich technischen Grübeleien um ihren Gesang hingibt, ihre Texte erklärt, immer wieder von Psychologie spricht, das Fach hat sie kurz studiert. Die sich dann aber ganz der Musik widmet, obwohl niemand in der Familie auch nur einen Ton gerade singt. Sie bringt sich alles selbst bei.
Sie wächst in fast nomadischen Verhältnissen auf: Ihre Eltern, ein Ire und eine Norwegerin aus Madagaskar, kommen nach der Wende nach Berlin. Dort wird Tara geboren, die Familie verbringt die Sommer in Stavanger oder in Irland. Doyle ist also eine Kreuzbergerin und eine Weltbürgerin. Mit elf Jahren beginnt sie, Lieder zu schreiben. Auch für Freundinnen aus der Berliner Schulklasse. Sie hat einen irischen Pass und spricht drei Sprachen. Ihre Heimat wird die Musik.
Doyle ist heute 24 Jahre alt, und ihre Stimme klingt voll, erfahren, mal gebrochen, mal durchsichtig und mal unerträglich schwer – also nach vielen Jahren Musikerfahrung und nicht nach einer jungen Frau, die gerade erst in einem Jugendclub entdeckt wurde.
„Anderweltlich“ soll es klingen
Mit 19 Jahren sang sie in Berlin-Kreuzberg beim Abschlussabend eines Förderprogramms für junge Talente. Der Musikmanager Martin Hossbach war zufällig da, wollte eigentlich der Tochter eines Freundes zuhören. Hossbach verpflichtete Tara Doyle sofort für sein Label, nahm ein Extended Play, ein Minialbum, und dann ein Album mit ihr auf. Das waren Achtungserfolge, aber jetzt, mit der neuen Platte ist erst das Niveau von klugem internationalen Pop da.
„Anderweltlich“ solle ihre Musik klingen, sagt sie einmal, und das könnte jetzt ein schiefer Anglizismus sein („otherworldly“), aber es klingt eben auch nach Fantasy, „Herr der Ringe“, Druiden und Märchenwald. Das passt auch ein wenig zu Doyle. „Ich suche so ein losgelöstes Gefühl in der Musik“, sagt sie und erzählt, dass sie immer wieder auf die (hier kaum bekannte) Sängerin Susanne Sundfor komme, wenn sie Inspiration suche. Sundfor ist eine Art Kate Bush Norwegens, aber viel verträumter als Doyle selbst.