Rummelsnuff, der Muskelmusiker : In deiner Badewanne bin ich Kapitän
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Seine Musik klingt exakt so, wie er aussieht: Rummelsnuff, ein netter junger Mann aus Berlin Bild: Ray van Zeschau
Auf einmal ist er überall. Aber wer ist eigentlich dieser Rummelsnuff? Ein umwerfend sympathischer Typ. Mit einer großartigen Platte, voller Wärme, Wucht und „Pflaumenbrand aus Bruderland“. Zur Erfolgsgeschichte des Muskelmusikers Roger Baptist.
Es muss jetzt zwei Jahre her sein; im „Knaack“, einem Hinterhofclub in Berlin, sollte noch einmal Kaltfront spielen, Ostdeutschlands Antwort auf Joy Division. Gekommen waren vielleicht fünfzig Leute, von denen fünf nicht auf der Gästeliste standen. Das war natürlich mager. Aber was dann passierte, im Vorprogramm, war wiederum so unbeschreiblich, dass die wenigen, die da waren, das Gefühl bekamen, zu einer Schar der Auserwählten zu gehören.
Plötzlich stand nämlich ein Wesen auf der Bühne, das so breit war wie hoch, ein Muskelmonster, und auf dem Kopf trug es irgend so ein Gummiding mit Trompetenhörnern dran. Dazu fauchten böse die Maschinen. Ein Rhythmus aus Stromschlägen. Devo, DAF und Laibach rappelten gemeinsam in den Kisten. Dann wieder tauchten Melodien zum Mitschunkeln aus dem Dunkel des Gewummers. Genauso die Texte. Erst donnerte die Befehlshaberstimme: „Stramm gestanden, zum Sport bereit / Die Eisenkumpel verlier'n keine Zeit“, und gleich im Anschluss trällerte sie: „Von Hammerfest bis Sansibar / Sonnenschein das ganze Jahr!“ - Lieder irgendwo zwischen Jugendwerkhof und Kindergarten.
Auf einmal das: Rummelsnuff ist überall
Es war eine Erscheinung, pure Emergenz, also nichts, was man mitnehmen konnte. Für den Rest des Abends nistete ein elektrischer Tinnitus im Ohr, der entfernt nach Meereswellen klang; draußen, in der wirklichen Welt, zeigte sich, dass es keinen Sinn hatte, davon erzählen zu wollen („Was für ein Gummiding?“, „Wie viele Muskeln?“), und man behielt es dann lieber für sich wie die Erinnerung an einen betörenden Albtraum - es war ja noch nicht einmal klar, wie man ihn aussprechen sollte: Rummelsnuff? Oder Rammelsnaff?
Und jetzt auf einmal das: Rummelsnuff ist überall. Sogar im U-Bahn-TV der Berliner Verkehrsbetriebe. Der „Tagesspiegel“ titelt „Käpt'n Raubär“, die „Junge Welt“ jubelt: „Musik für Leute, die auch morgen noch kräftig zubeißen wollen“, und die von „Spiegel online“ übernehmen die ebenfalls sehr wichtige Rolle der besorgten Mutti, die sich fragt, ob das nun „rechts“ oder bloß „schwul“ sei. Es herrscht ein ziemlicher - nun ja: Rummel um die Figur Rummelsnuff, seit endlich eine erste Langspielplatte vorliegt, was schon deswegen zu begrüßen ist, weil sonst bei Neuerscheinungen im deutschsprachigen Pop-/Rockbereich immer nur anorektisch im Foto herumlungernde Brillenträger abgebildet werden können.
Die zu Unrecht vergessenste Band, die es je gab
„Da waren mindestens hundert zahlende Gäste im Publikum, damals bei dem Konzert“, korrigiert der Mann mit den Muskeln erst einmal die Erinnerungen; und seine Stimme klingt so, als ob er recht hätte. Er könnte damit den Klang eines kräftigen Außenbordmotors imitieren. Wir treffen ihn im Steakhaus „San Diego“ (Preise wie vor fünfzehn Jahren) an der Karl-Marx-Allee in Ost-Berlin. Der Künstler bestellt 500 Gramm Hüftsteak, „hochgeschnitten“, dazu etwas Rahmsoße, keine Kohlenhydrate, und eine Tasse Tee. Natürlich rechnet man jeden Moment damit, dass er sich eine Büchse Spinat in den Schlund kippt. Im Gegenlicht des späten Nachmittags formen seine Arme und Schultern die Silhouette eines Mittelgebirges. Die Kellnerinnen hier kennen und mögen ihn: ein stattlicher Mann und guter Esser. Laut und warm dröhnt nun die sächsische Mundart durch die Gewölbe.