Musik : Country-Sänger Johnny Cash ist tot
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Johnny Cash, 1932 - 2003 Bild: Polfoto
Der Country-Musiker Johnny Cash ist tot. Der 71 Jahre alte Sänger starb am Freitag in Nashville in Tennessee. Mehr als 500 Lieder hat Cash geschrieben, deren beste eine einzigartige archaische Wucht zum Ausdruck bringen.
Im Alter träumte er, daß er Königin Elizabeth II. aufsucht, die ihn so begrüßt: "Johnny Cash! Du bist wie ein Dornbaum im Wirbelwind!" Da erwachte Johnny Cash und las viel in der Bibel, vor allem im Buch Hiob und in der Offenbarung.
Diese Anekdote erzählte Johnny Cash anläßlich des Albums "The Man Comes Around", einer fulminanten Lektion in Bibelfestigkeit und Gottesfurcht. Es war der vierte Teils seiner "American Recordings", mit der im vergangenen Herbst ein Lebenswerk, das sich über ein halbes Jahrhundert erstreckte, einen Abschluß fand, der mehr als würdig war.
Noch einmal, ein letztes Mal, fünfzehn Songs, das Beste aus britischer und amerikanischer Popmusik - und die allerbesten Lieder doch wieder von Johnny Cash selbst verfaßt, mit denen er nicht nur all jene in Erstaunen versetzte, die den Nachruf schon in der Schublade hatten. Es ist dem jungen Produzenten Rick Rubin, der dieses einmalige Alterswerk betreute, nicht genug dafür zu danken, daß er den alten Mann vor nun bald zehn Jahren aus der Schmollecke herauslockte - wenn es erlaubt ist, von Schmollen zu sprechen bei diesem Mann, dessen vornehmlichstes Merkmal der Zorn gewesen war. Nachdem Cash nämlich wieder auf die Beine gekommen war, meldeten sich auch die Plattenbosse von Columbia Records wieder bei ihm, die ihn 1986 nach achtundzwanzig Jahren vor die Tür gesetzt hatten.
Fern vom Musikmoloch
Cash konterte mit einer ganzseitigen Anzeige, in der er sich beim Country-Establishment von Nashville höhnisch für die Unterstützung bedankte. Zu sehen war darauf ein junger Johnny Cash, der dem Betrachter den Mittelfinger zeigt. Mit dem Musikmoloch Nashville, in dem so viele Countryinterpreten ihrer Ecken und Kannten beraubt wurden, wollte er nichts zu tun haben; darin war er sich einig mit seinem im vergangenen Jahr verstorbenen Freund Waylon Jennings (F.A.Z. vom 15. Februar 2002).
Mit Jennings hatte er etwas gemeinsam, was man als Nashville-Syndrom bezeichnen könnte, ein zur Selbstzerstörung neigendes und oft genug sich der Kontrolle entziehendes Außenseitertum, dem das gesunde Gefühl für Recht und Unrecht das Schießeisen oder den Spaten führt. "Ich erschoß einen Mann in Reno, nur um ihn sterben zu sehen" - diese Zeile aus dem "Folsom Prison Blues", mit der sich eine weniger markante Erscheinung lächerlich gemacht hätte, ging um die Welt; mit ihr festigte Johnny Cash seinen Ruf als outlaw, als der er in den sechziger Jahren sogar zum Hippie-Milieu Zugang fand, das ihn eine Zeit lang für einen Geistesverwandten hielt, weil er Sympathien für die Indianer hatte und unentgeltlich in Gefängnissen auftrat und auch dort seine Weltsicht verbreitete, die im Grunde simpel war.
Kunst und Moral
Daß er sich gleichzeitig positiv über Richard Nixon äußerte, konnten damals viele nicht begreifen. Die Anfälligkeit für Gewalt und jede Art von Sucht, die Verzweiflung und das Bedürfnis nach Rechtschaffenheit - Johnny Cash hat das alles heftiger durchlebt als die meisten seiner Weggefährten und daraus eine Haltung entwickelt, die in ihrer Widersprüchlichkeit vielleicht wirklich uramerikanisch ist. Die Spannung zwischen Kunst und Moral verkörperte kaum einer so glaubwürdig wie er. "Sir, ein Mann, der so singen kann wie Sie, kann nicht ganz schlecht sein", sagt Peter Falk in der Columbo-Episode "Schwanengesang" zu dem des Mordes überführten Gospelsänger Tommy Brown, den Cash da spielt.
Als Farmerssohn am 26. Februar 1932 in Kingsland, Arkansas geboren, hat er jene harte Erziehung genossen, die er in seinem großen Lied "A Boy Named Sue" besingt, das von einem Jungen handelt, dem der Vater einen Mädchennamen gibt, damit er abgehärtet wird. Zuletzt ist der Mann, der nach einem in Landsberg am Lech verbrachten Militärdienst Mitte der fünfziger Jahre nach Memphis ging und dort im Sun-Studio von Sam Phillips zusammen mit Elvis Presley, Carl Perkins und Jerry Lee Lewis den countrylastigen Rock'n'Roll aus der Taufe hob; der sich fortan als "Man in Black" (so ein Albumtitel) präsentierte, im einflußreichen Clan seiner zweiten Ehefrau June Carter Halt fand und schließlich nicht nur im amerikanischen Showbusiness Respekt und Zuneigung erfuhr wie nie zuvor in seinem Leben - zuletzt ist dieser Mann fromm geworden.
Die alten Gefährten aus Memphis sind, bis auf Lewis, tot, im Mai ist auch seine Frau, die ihm den Welthit "Ring of Fire" schrieb, gestorben. Und so kannte er auf seinen späten Platten auch nur noch ein Thema, das er mit seiner immer noch faszinierend dunklen Stimme regelrecht beschwor: den Tod. In seinen letzten Liedern sah er die vier apokalyptischen Reiter und ging, nun ganz Patriarch, als der er bereits Jahrzehnte zuvor erschienen war, über den Jordan. Man wird es nicht mehr erfahren, was davon Stilisierung und was echt empfunden war. Die Demut Hiobs aber war wohl wirklich sein Teil, zu der sich der einstmals zornige Mann nicht erst durchringen mußte. Er sei ohne Bitterkeit, sagte er in einem seiner letzten Interviews. "Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen; der Name des Herrn sei gelobt." Am Freitag ist John R. Cash in Nashville gestorben.