Miley Cyrus in Frankfurt : Flieg, stolzer Dreckspatz!
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Kluge Bearbeitungen, souveräne Griffe ins Register
Das Inferno währt zwei Stunden und müsste in dieser langen Zeit eigentlich mehrfach wegen zu hoher Reizdichte auseinanderbrechen, würde es nicht zusammengehalten von einem überraschend allumfassenden Lehrgang in Popmusik. Man erlebt eine überzeugend schleppmajestätische Coverversion des Beatles-Stücks „Lucy in the Sky With Diamonds“ , man freut sich über Bob Dylans kleines Juwel „You’re gonna make me lonesome when you go“ und genießt eine mit viel nährstoffreichem Gossenschmodder angereicherte Version der durch Dolly Parton berühmtgewordenen Rivalinnenbeschwerde „Jolene“.
Kluge Bearbeitungen, souveräne Griffe ins Register also, und immer setzen diese Sachen, bei denen Miley Cyrus, ihre Band, das tanzende Begleitpersonal und die Videos auf dem Monitor nirgends straucheln, die richtigen retardierenden oder konzentrationsförderlichen Akzente zwischen die Cyrus-eigenen Automatenshuffle-Wildheiten („Can’t be tamed“), Aluminiumknisterlandschaften „# GETITRIGHT“) und explodierenden Papierblumenkästen („Party in the USA“, die Zugabe zur Zugabe).
Wenn der Künstlerin mitten in dieser vielseitigen Revue mal der Atem ausgeht (wie im eigentlich besonders zugkräftigen „Can’t be tamed“), macht sie etwas sehr Gescheites: Sie spricht Teile des Textes, statt sie zu singen, und ermutigt damit die Leute unten, das Melodische für einen Augenblick selbst zu übernehmen. Was man mit so einem Publikum anstellt, beherrscht sie ohnehin im Schlaf.
Scham im Glück, das ist doch auch mal schön
Zu der sehr schönen Kitschsoße „Adore You“ zum Beispiel werden die Menschen im Saal von einer mitgebrachten Filmcrew aus der Nähe für den Bildschirm hinter Miley Cyrus gefilmt und sollen einander, wenn sie denn mögen, fleißig küssen. So sehen denn alle, die da sind, in einem leuchtenden Verlobungsring-Rahmen ein paar Minuten lang reichlich niedliche Szenen (die niedlichste verantworten ein blonder und ein bärtiger Mann, sie schämen sich sogar ein wenig vor lauter unschuldiger Sekundenherzlichkeit, und man denkt: Stimmt, Scham im Glück, das ist doch auch mal schön, nicht immer nur Tabubruch).
Das Interessanteste bei alledem sind die Überblendungen des eigentlich weit Auseinanderliegenden, die von der Musik und der Show zusammengedrückt wird, bis es quietscht: War Dolly Parton wirklich eine weiße Hip-Hop-Schlampe? Und wenn nicht, wäre es nicht nett gewesen? Manchmal verfehlen diese Anstrengungen, alles zu umgreifen, was Pop heißt, ihr Ziel dann freilich doch: Ein Heavy-Metal-Gewitterchen hier, eine Street-Dance-Einlage dort, nein, too much, es knirscht, es geht nicht auf, aber dann zeigt die Spielleiterin die Zähne, schließt die Augen, öffnet sie wieder und ist aufs Neue obenauf.
Man merkt sich den jeweiligen kleinen Fehler für später, er war ja nicht uninteressant: Darf eine Person, die im Leben hauptsächlich gut weggekommen ist, sich mit beherztem Prinzessinnenzugriff wirklich die Arbeit von Leuten aneignen, die für ein ganz anderes Publikum singen und tanzen als sie? Muss das nicht ab und zu schiefgehen, ist das nicht einfach gerecht?
Miley Cyrus kommt ja, wie man überall lesen darf, aus dem mittleren Country-Rock-Adel, ließ sich dann in jungen Jahren von Disney zum Star aufrüsten („Hannah Montana“) und baut sich mit reichlich Erfolg gerade öffentlich und in Echtzeit zum jungerwachsenen Partymonstergeschütz um. Kalkuliert ist das alles gewiss bis ins Kleinste, militant auf Überrumpelung aus, und es gibt sicher Zeiten, zu denen Menschen mit Recht keine Lust haben, sich dermaßen frontal vorgebrachten Ausgelassenheitsbefehlen zu unterwerfen.
Aber man kann ja wegbleiben, wo dieser Vulkan hinspuckt. Und wenn man nicht weggeblieben ist, sondern dort war und deshalb am nächsten Tag, nach soviel Massenwahn, hübsch mit sich allein ist in einer Ein-Personen-Welt, die von außen jedenfalls nicht viel vernimmt, weil sich die kurzfristige Schädigung des Gehörgangs eher langsam verpfeift, dann kann man sich sagen: Gründlicher als bei Miley Cyrus wäre man derzeit nirgendwo sonst mit mal lustigen, mal merkwürdigen, mal nahezu sinnfreien und gelegentlich hochinteressant unstimmigen Exzessen verwöhnt worden.
Weitere Tour-Daten
7. Juni 2014 // Zürich // Hallenstadion
8. Juni 2014 // Mailand // Mediolanum Forum
10. Juni 2014 // Wien // Wiener Stadthalle
13. Juni 2014 // Barcelona // Palau Sant Jordi
15. Juni 2014 // Lissabon // MEO Arena
17. Juni 2014 // Madrid // Palacio de Deportes
20. Juni 2014 // Antwerpen // Sportpaleis
21. Juni 2014 // London // Wembley Stadium
22. Juni 2014 // Amsterdam // Ziggo Dome
1. August 2014 // Uniondale (New York) // Nassau Coliseum
2. August 2014 // Philadelphia // Wells Fargo Center
4. August 2014 // Pittsburgh // Consol Energy Center
6.. August 2014 // Charlotte (North Carolina) // Time Warner Cable Arena
7. August 2014 // Nashville // Bridgestone Arena
9. August 2014 // Louisville (Kentucky) // KFC Yum! Center
10. August 2014 // St. Louis // Scottrade Center
12. August 2014 // Kansas // Sprint Center
14. August 2014 // Chicago // United Center