Leonard Cohen : Große Lieder aus dem Jenseits
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Er bittet noch einmal zum Walzer: Leonard Cohen (1934 bis 2016) Bild: EPA
Drei Jahre nach Leonard Cohens Tod erscheint ein allerletztes Album, fertiggestellt von seinem Sohn Adam. Wir hören Flamenco und ein Vermächtnis aus Bitternis und Witz.
Das Grün war grün, das Blau war blau, und du warst eine Frau: Klarheit und Archaik bestimmen die allerletzten neuen Lieder, die man nun überraschenderweise noch von Leonard Cohen zu hören bekommt. Dabei hatte 2016 alles danach ausgesehen, als sollte das Album „You Want It Darker“ sein Vermächtnis werden, geschrieben bereits in der klaren Voraussicht seines Todes: „I’m ready, my lord“.

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Die große Alters-, ja, Grabesstimme, die einem dort entgegentrat und jetzt, nach seinem Tod, oft gespenstisch nahe kommt, steht auch bei den Stücken auf „Thanks for the Dance“ noch einmal im Vordergrund – rauher als rauh, bitter, manchmal fast für sich allein bei spärlich instrumentierten Lebensweisheiten wie „The Goal“, wo es heißt: „No one to follow / And nothing to teach / Except that the goal / Falls short of the reach“. Auch ein Band mit Gedichten und Notizen war ja nach Cohens Tod noch erschienen, und die darin festgehaltene Einsamkeit eines Menschen, der am Weihnachtstag ganz allein sitzt und sich fragt, warum er in seinem Leben so viele Türen geschlossen hat – „what was I thinking of?“ – findet sich wieder in der unversöhnlichen, teils grausamen Lyrik auf diesem Album. Bei einem Stück wie „Puppets“ könnte man es fast für ein Werk des „Spoken Word“ halten: Es geht hier einzig und allein darum, den Albtraum dieses nur von Puppen gespielten Weltdramas vom Holocaust bis zur Gegenwart für die Nachwelt noch einmal in Cohens ganz eigenem Timbre, seiner schneidend-anklagenden Diktion festzuhalten, wie man sie etwa von „Everybody Knows“ lange kennt: „Puppet night comes down to play / The after act to puppet day“.
Ein Ritter auf Durchreise
Aber trotzdem ist die Musik dieses Albums keineswegs zu vernachlässigen. Im Gegenteil: Man kann vielleicht sagen, dass Leonards Sohn Adam Cohen – hervorgegangen aus der Beziehung zu Suzanne Elrod und heute 47 Jahre alt – zum Schluss die beiden am besten instrumentierten und produzierten Alben seines Vaters geschaffen hat.
Er hatte sich dazu verpflichtet. Denn es handelt sich hierbei auch keineswegs um eine Resteverwertung jenseits der Absichten des verstorbenen Künstlers, wie sie postum oft geschieht, sondern um Songs, die Leonard Cohen in Rohfassung noch ganz am Lebensende mit seinem Sohn aufgenommen hat und diesen darum bat, sie musikalisch zu vollenden. Es ist ihm gelungen mit der besagten Grundentscheidung, die Stimme des Vaters über alles zu stellen, aber auch mit jener, den Songs dennoch stilistische Charakteristika zu geben. Ganz deutlich wird das beim Flamenco von „The Night of Santiago“, einer Ballade, in der das lyrische Ich die Rolle eines Ritters auf Durchreise annimmt, der dabei schnell noch eine Frau glücklich macht. Erst sind es nur einzelne wilde Gitarrentöne, die dieses Abenteuer untermalen, dann im Refrain rhythmisches Klatschen und schließlich Chöre und donnernde Klavierakkorde, was ein bisschen an Rick Rubins Alterswerkproduktion für Johnny Cash erinnert.
Für einen Moment ist die Welt in Ordnung
Manchmal kommt der Frauenchor, eine Reminiszenz an die Webb Sisters, die Cohen früher so wunderbar begleiteten, auch nur ganz dezent und leise aus der Ferne wie bei „It’s Torn“. Weitere süße Klang-Madeleines aus der Werkvergangenheit sind die Bouzouki auf „Moving On“, die alles Griechische heraufbeschwört, die Insel Hydra und „Marianne“ besonders. Und natürlich die schlichte Konzertgitarre, zu der Cohen ganz am Anfang seiner Karriere sang und die nun auch das Eröffnungsstück „Happens to the Heart“ eröffnet. Es ist ein weiteres Vermächtnis der Bitternis, der Bescheidenheit und des Witzes:
I was always working steady
But I never called it art
I got my shit together
Meeting Christ and reading Marx
It failed my little fire
But it’s bright the dying spark
Go tell the young messiah
What happens to the heart
Das Feuer erlosch, aber der Funke glüht gerade noch – wie Leonard Cohen hier ganz nebenbei die romantische Dichtungstheorie Shelleys („The mind in creation is as a fading coal“) in seine ansonsten sehr gegenwärtige Sprache einflicht, das ist noch einmal ganz meisterlich, wenn auch meisterlich pessimistisch.
Das Titelstück „Thanks for the Dance“ schließlich lässt verstehen, warum Adam Cohen die Platte im Vergleich zu „You Want it Darker“ dennoch als einen sanfteren, versöhnlicheren Abschied beschrieben hat. Hier nun bedankt sich der Singende noch einmal bei allen Wegbegleitern und bittet zu einem einfachen Tanz, bei dem für einen Moment die Welt in Ordnung ist: „But the green was so green / And the blue was so blue / I was so I / And you were so you“. Etwas, das klingt wie eine bayerische Blaskapelle, spielt dazu langsamen Walzer.
Leonard Cohen: „Thanks for the Dance“. Sony Music