Neil Diamond wird 80 : Geigen drüber und ab auf den Markt
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Neil Diamond im Jahr 1972 Bild: Picture-Alliance
Zwischen introvertiertem Songschreiber im Selbstgespräch und flamboyanter Bühnenfigur mit Welterfolg: Neil Diamond zum achtzigsten Geburtstag.
Es gibt diesen markanten Bruch in Neil Diamonds Künstlerpersona: Wie passen die introvertierten Songs zum Glitzer-Outfit? Hört man etwa sein trauriges Selbstgesprȁch von 1971 – „I am, I said / To no one there / And no one heard at all / Not even the chair“ – fügt es sich, zu vorsichtigem Gitarrenzupfen und zurückhaltendem Parlandogesang, nahtlos an große Einsamkeitssongs der Zeit wie John Hartfords „Gentle on My Mind“, Joni Mitchells „Blue“ und Harry Nilssons „Everybody’s Talking“.

Redakteur im Feuilleton.
Aber legt man dann das Plattencover von „Hot August Night“ (1972) daneben, sieht man einen ekstatischen Mann im engen Jeansanzug mit „Indianer“-Patchwork, der in fast obszöner Haltung an Jim Morisson erinnert. Dieser Neil Diamond trat in jenem heißen Sommer damals im „Greek Theatre“ von Los Angeles sieben Nȁchte in Folge mit Orchester und sechs Backgroundstimmen nicht vor stummen Sitzreihen, sondern vor einem begeisterten Publikum auf und war damit auf der Höhe seines Erfolgs.
Der Sohn polnisch-russischer Juden aus Brooklyn sang im Schulchor mit Barbra Streisand. Nachdem er Songschreiber aus der Schmiede des Brill Buildings kennengelernt hatte, schrieb er nach anfȁnglichem Misserfolg bald Hits für die Monkees („I’m a Believer“), dann folgten eigene („Cracklin’ Rosie“, „Sweet Caroline“).
In „The Jazz Singer“, dem Remake des gleichnamigen Films von 1927, belebte Diamond diese Geschichte eines strauchelnden jüdischen Unterhaltungssȁngers 1980 neu, allerdings mit sehr gemischtem Erfolg: Der Film floppte völlig und erhielt die Goldene Himbeere; gleichzeitig aber brachte er mit dem patriotischen Lied „America“ sowie mit „Love on the Rocks“ zwei weitere große Hits. Letzterer zeigt wiederum sein Changieren, wenn er zu Sept-Akkorden eine an Francis Lais „Love Story“ gemahnende Schicksalsmelodie in einen bombastischen Refrain mit Orchester führt.
Mit diesem Rezept verkaufte er 125 Millionen Alben, er wird auch als „jüdischer Elvis“ bezeichnet. In Diamonds siebtem Lebensjahrzehnt unterzog der Produzent Rick Rubin dessen Sound so wie zuvor den von Johnny Cash einer „Abspeck-Kur“. Zuletzt entwickelte Neil Diamond, wie viele in ihrem Spȁtwerk, eine Liebe zum Country („Melody Road“, 2014). Am heutigen Sonntag wird er, der wegen einer Parkinson-Erkrankung inzwischen keine Konzerte mehr gibt, achtzig Jahre alt.