Roger McGuinn 80 : Einer flog über die Hollywood Hills
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Gesegnet mit modernem Rhythmusgefühl und dem Mut, sich über die Hippies lustigzumachen: Roger McGuinn, hier in Amsterdam 1970 Bild: Interfoto
Neben anderen Stars eher unauffällig, ist er doch Tonangeber für eine Generation: Roger McGuinn, der Pate des Folkrock, wird achtzig.
Wer waren die Byrds? Sagen wir so: „Die Byrds tun Dinge, von denen die meisten gar nicht wissen, dass es sie gibt.“ Diese von Bob Dylan überlieferte Feststellung galt einem 1964 in Los Angeles gegründeten Quintett, welches die Rockgruppe als exemplarische Lebensform in Amerika eingeführt hat, nicht nur deswegen als Beatles-Gegenstück galt und obendrein den Folkrock erfunden hat, prototypisch nicht nur als Westcoast-, sondern als Band überhaupt. Ihr Chef war zeitlebens, bis zur endgültigen Auflösung 1973, Jim McGuinn, der aus einem Chicagoer Schriftsteller-Haushalt stammte und sich seit dem Psychedelik-Jahr 1967, unter dem Einfluss der fernöstlichen Subud-Bewegung, Roger nannte. Der Name, meinte er, müsse im Geist seines Trägers mitschwingen.
Die erhebliche Bedeutung, die er für die Rockmusik der Mitt- bis Spätsechziger hat, ergibt sich weniger aus seinen musikalischen Fähigkeiten – wobei seine näselnde Stimme von einer geradezu aufreizenden Wehleidigkeit ist und seine oft zwölfsaitige Rickenbacker unverkennbar markante Laute gab – als vielmehr aus seiner dezent, aber wirksam ausgeübten persönlichen Dominanz. Ihm ist es zu verdanken, dass der Sound dieser Band über sämtliche Mitgliederwechsel hinweg so blieb, wie er von Anfang an war: ländlich-volkstümlich und futuristisch, traditionsverhaftet und up to date.
Diese ausgebufften Männer flogen, „Oh! Susannah“ pfeifend, auf ihren Motorrädern über die Hügel von Hollywood. „Mr. Tambourine Man“ hieß das von Dylan übernommene Titelstück des Debüts vom Juni 1965, von McGuinn praktisch im Alleingang aufgenommen, die Gitarren schon elektrisch, während Dylan seine Version noch akustisch gespielt hatte und erst im Monat darauf, in Newport, seine Fender Stratocaster epochemachend unter Strom setzen sollte.
Das sprichwörtliche Jingle-Jangle, von Dylan eher so dahingesagt, nahm auf den ersten beiden Byrds-Platten, die allein sechs seiner Lieder boten, gültige Gestalt an. Obwohl sie anfangs fast vollständig in dessen Bann standen, zeigten sich schon damals ihre Eigenständigkeit und Vielfalt: Neben dem von McGuinn verantworteten modernen Beat gab es die haltlos-verzweifelte Schönheit der Gene-Clark-Songs, den bodenständigeren Country von Chris Hillman und die schon damals gefährlich abdriftenden Psychedelia von David Crosby. McGuinn aber war und blieb Primus inter Pares, der die Mitspieler gehen und kommen ließ, im Jahr 1968, als man es mit The Band zu tun bekam und drei sehr gute Country-Alben herausbrachte, die Byrds davor bewahrte, vollends zur Hillbilly-Combo zu werden, und der in dieser Phase ungewöhnlich sarkastische Lieder schrieb, zum Beispiel, als hellsichtiger Abgesang aufs Entertainment, „So You Want To Be A Rock’n’Roll Star“ und, vor allem, „Drug Store Truck Drivin’ Man“, die Klage eines Hippies, der einfach nicht begreift, wie ein Redneck den gleichen Musikgeschmack haben kann, aber ihn und seinesgleichen auf den Tod hasst. Abgebrühtheit, Zynismus standen in dem von den Byrds nur bedingt vertretenen Milieu nicht allzu hoch im Kurs; deswegen erforderte es, neben Klarblick, auch Mut, sich über die Gutgläubigkeit und das Harmoniebedürfnis der Hippies lustig zu machen. Selten wurde der Antagonismus von Kultur und Politik so treffend und schwarzgallig besungen wie in diesem Lied.
Von hier ist es nicht mehr weit bis zum Rolling-Stones-Fan Donald Trump. Wie andere wichtige Westküstenbands hatten die Byrds mittelbar sogar mit der Manson-Family zu tun: Das Haus, in dem im August 1969 Sharon Tate ermordet wurde, gehörte Terry Melcher, dem Sohn von Doris Day und Produzenten der ersten beiden Byrds-Platten. Er hatte dem musikalisch ambitionierten Manson eine Abfuhr erteilt und dessen Hass aufs Establishment damit bestimmt nicht verringert.
McGuinn wird vermutlich nicht wegen seiner wenigen, schönen, die Byrds-Wurzeln nie kappenden Soloplatten in die Rockgeschichte eingehen; als sich mit den Seinen kollegial die Arbeit teilender Songschreiber und Interpret steht er hinter Dylan, Neil Young, Paul Simon oder Tom Petty. Doch seine zurückgenommene, gleichwohl tonangebende Hipness und seine Wohlinformiertheit, die ihn immer wissen ließ, wie weit er gehen konnte, haben eine Anführerschaft etabliert, die sich, in dieser intellektualistischen, auf Rock-Deftigkeit verzichtenden Form und nicht zuletzt im Festhalten an einmal gefundenen Ideen, als fruchtbar und fürs Geschäft eigentlich als unentbehrlich erwiesen hat. An diesem Mittwoch wird James Joseph „Roger“ McGuinn, diese auffällig unauffällige Schlüsselfigur, auch schon achtzig Jahre alt.