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Leonard Cohen zum Achtzigsten : Mit wenigen Liedern unsterblich

Längst wird er the godfather of song genannt: Leonard Cohen im August 2012 in Amsterdam Bild: dpa

Er schafft es spielend, drei Generationen zu vereinen - und ist längst eine lebende Legende: An diesem Sonntag wird Leonard Cohen, der einzigartige Sängerpoet der Liebe und des Leidens (an einem Gott und an den Menschen), achtzig Jahre alt.

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          Wer den Namen Leonard Cohen sagt, meint keinen exzentrischen Poeten, keinen Sänger mit unverwechselbarer Stimme und auch keinen favorisierten Musiker. Wer „Leonard Cohen“ sagt, meint ein Stück eigener Lebensgeschichte, kann geschätzte hundert Textzeilen aufrufen bei den ersten paar Akkorden eines Lieds, auch wenn die immer verdammt ähnlich klingen.

          Rose-Maria Gropp
          Redakteurin im Feuilleton.

          Wer „Leonard Cohen“ sagt, ist vielleicht erst sechzehn oder bereits jenseits der siebzig. Drei Generationen zu vereinen, das schafft der Mann inzwischen spielend. Und wenn er auftritt, steht die Gemeinde versammelt, überall auf der Welt, bereit zur Feier. Dass er längst the godfather of song heißt, bekommt da seinen tieferen Sinn. Im englischen Wort für „Pate“ schwingt das Wort für den Herrn mit, und diese Bedeutung hat er selbst stets ausgereizt: narzisstisch aufgeladen im unverhohlenen Sex seiner frühen Jahre, in Demut als Bekenntnis zu einer höheren, dem geschlechtlichen Eros übergeordneten Macht im fortgeschrittenen Alter. Es ist die Vermessung dieses Spannungsfelds - mit leisem Spott, mit Melancholie auch -, die Leonard Cohen nicht als einen nachsichtig Belächelten aus der Zeit fallen lässt, wie es manch anderem geschieht, sondern seine anhaltende Kraft ausmacht.

          Es zog ihn zurück unter die Menschen

          Geboren wurde er 1934 in Montreal, hinein in eine vermögende jüdische Familie. Der Vater Nathan hatte eine Bekleidungsfirma; die viel jüngere Mutter Masha mit ihrem musischen Hang war die Tochter eines Rabbis, von Russland nach Kanada eingewandert. Im Rückblick lässt sich das als eine Bestimmung lesen für einen, der - stets gut angezogen, dabei bereit zur Überschreitung bourgeoiser Grenzen - ausbrach und aufbrach, um Dichter zu werden, Liebhaber und Liebling der Frauen. Auf die griechische Insel Hydra zieht er 1960, der dort verbrachten Zeit verdankt sich sein unverwüstliches „So Long, Marianne“ von 1968: nur einer dieser Marker im Gedächtnis aller, die ihm fortan folgen, eines der Lieder, die sich in Herz und Hirn gebohrt haben.

          Für eine kleine Zeit verabschiedete sich Cohen in den neunziger Jahren von der Bühne, ging in ein Zen-Kloster in Kalifornien und wurde 1996 zum buddhistischen Mönch ernannt. Doch es zieht ihn wieder zurück unter die Menschen. Nachdem ihn seine ehemalige Managerin um das Geld, das er fürs Alter zurückgelegt hatte, betrog, startet er im Mai 2008 noch einmal eine Welttournee, bis Dezember 2010 dauert diese Rückkehr. Sie gerät gleichsam zu seiner umjubelten Auferstehung. Und zuletzt war er unter dem ja nicht ganz falschen Motto „Old Ideas“ bis Ende vergangenen Jahres unterwegs.

          Im Aufbruch war er schon immer

          Bis heute lebt Cohens Ausstrahlung von seinen Texten, die stets auch Gedichte sind: „Suzanne“, „Joan of Arc“, „Tonight will be fine“ und natürlich jenes unheilige „Hallelujah“, das ihn unsterblich werden ließ, beinah jedenfalls. Er hat es geschafft, dass all diese Songs lebendig sind, durch Metamorphosen gegangen, wenn er eine Bühne betritt, seinen weichen Hut zieht vor den Musikern, die ihm inzwischen vielstimmig virtuos durch die Auftritte helfen, vor einem Publikum, das bei seinen ewigen „Sisters of Mercy“ auch die Ironie versteht, die immer da war und ist - nicht selten scharf, als er selbst noch jünger war, nun gewendet in zärtliche Nachsicht.

          Jetzt hat der alte Fuchs ein neues Album gemacht. Mit „Popular Problems“ umarmt er seine Gemeinde, kein Abgesang, ein Fazit. Gleich das erste Lied, das „Slow“ heißt, beginnt mit Herzklopfen und erteilt dann Auskunft: „It’s not because I’m old / It’s not the life I led / I always liked it slow / That’s what my momma said.“ Dann kommt noch die eine Zeile, am Ende: „So baby let me go.“ Im Aufbruch war er ja schon immer, und das müssen wir ihm auch jetzt glauben, diesem Mann, der vor mehr als vier Jahrzehnten mit einer Zeile seines Songs „Bird on the Wire“ den Vorrat für eine kleine Ewigkeit anlegte: „If I have been untrue I hope you know it was never to you.“ An diesem Sonntag wird Leonard Cohen, der einzigartige Performer der Liebe und des Leidens (an einem Gott und an den Menschen), achtzig Jahre alt.

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