Ritchie Blackmore zum 70. : Ein Wasserrauchmelder
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Einer der schwersten Lastwagen, die seinerzeit die Rockautobahn rauf und runter gebrummt sind. Bild: Getty Images
Er war für das Kreischen und Jaulen der Gitarrensaiten bei Deep Puple verantwortlich und kämpfte so wacker gegen Rachendrachen, dass sogar Hegel stille staunt. Wir gratulieren zum Geburtstag.
Das tragende Riff von „Smoke on the Water“ ist prägnant wie eine Kopfnuss; die Solozuckungen, die nach dreieinhalb Minuten das Stück „Sweet Child in Time“ in Brand setzen, flattern zwischen den Taktstrichen wie qualmende Spitzenhöschen an Notenwäscheleinen. Der im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs aus dem Küstennebel von Weston-super-Mare an Land gekrochene britische Gitarrist Ritchie Blackmore hat mit solchen Späßen maßgeblich dazu beigetragen, dass die Band Deep Purple nach allerlei psychedelisch breiten, progressiv ausgefransten und tiefsinnig konfusen Anfängen in den Siebzigern einer der schwersten Lastwagen wurde, die seinerzeit die Rockautobahn rauf und runter gebrummt sind.
Leicht kann das kaum gewesen sein; standen die Kollegen dem tüchtigen Mann und einander doch häufig mit sehr ähnlichen Talentproben auf den Füßen. Wie soll man sein Saiteninstrument in hinreichend effektheischender Weise zum Kreischen und Jaulen bringen, wenn man mit einem Sänger wie Ian Gillan zusammenarbeiten muss, der das Kreischen und Jaulen wenn nicht erfunden, so doch mit unnachahmlicher Verve durch die eigene Schädeldecke getrieben hat? Und was hilft das flinkste Aneinanderreihen einzelner Noten in allen Farben beim Zupfen und Schrabbeln, wenn der Organist Jon Lord direkt nebenan aus seinem Tastenzauberkasten Stimmungen holt, für die es auch dreißig Jahre später immer noch nicht genug Wörter gibt?
Häkeln an bunten Folkrock-Tischdeckchen
Blackmore, dem der Teufel schon im elften Lebensjahr seine erste Gitarre in die Hand gedrückt hatte, ließ sich von den eminenten Begabungen, die ihn da bedrängten, nicht entmutigen, sondern verbiss sich in sein Handwerk mit solchem Ernst, dass sogar Georg Wilhelm Friedrich Hegel ihm dafür in der „Ästhetik“ eine liebevolle Betrachtung widmete: „Noch aus meiner Jugend her entsinne ich mich eines Virtuosen auf der Gitarre, der sich für dieses geringe Instrument geschmackloserweise große Schlachtmusiken komponiert hatte. Er war, glaub ich, seines Handwerks ein Leineweber und, wenn man mit ihm sprach, ein stiller, bewusstloser Mensch. Geriet er aber ins Spielen, so vergaß man das Geschmacklose der Komposition, wie er sich selbst vergaß und wundersame Wirkungen hervorbrachte, weil er in sein Instrument seine ganze Seele hineinlegte, die gleichsam keine höhere Exekution kannte als die, in diesen Tönen sich erklingen zu lassen.“
Von solchem Antrieb befeuert, hat Blackmore nach und zwischen seinen Deep Purple-Mitarbeiterzeiten unter anderem die Gruppe Rainbow gegründet und sich dort gegen Rachendrachen wie Ronnie James Dio und Graham Bonnet achtbar geschlagen. Seit 1997 häkelt er mit seiner Lebensbegleiterin Candice Night in einem Kombinat namens Blackmore’s Night an kleinen bunten Folkrock-Tischdeckchen und sucht, so will es scheinen, nach Gehör den Ausgang aus jenem hallenden Gebäude, das Bob Dylan betrat, als er 1965 seine Gitarre erstmals unter Strom setzte.
Der Fachmann Frank Schäfer hat unlängst öffentlich der Erwartung Ausdruck verliehen, Blackmore könne demnächst, vielleicht im erneuerten Rainbow-Rahmen, noch einmal ordentlich laut werden. Einstweilen äußert der Musiker sich dazu nicht mündlich. Er zupft lieber, zirpt, schrabbelt, fiept – und wird heute siebzig Jahre alt.