Das Crowdfunding des PeterLicht : Es gibt keinen Markt mehr für das, was er macht
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Ein Ich-in-der-Cloud-Moment: Der Sänger PeterLicht sucht im Konfettiregen nach Komplizen Bild: Edgar Schoepal
Die Digitalisierung entzog dem Sänger PeterLicht die Existenzgrundlage, jetzt versucht er es mit Crowdfunding. Wir haben ihn getroffen und uns mit ihm auf die Suche gemacht: nach der Crowd.
„Das ist wahrscheinlich die Zukunft“, sagt PeterLicht, der Gesellschaftstheoretiker unter den Popkünstlern, der große Emphatiker des „Du musst dein Ändern leben“, der leichtfüßig zwischen Musik, Literatur und Theater hin und her springt, aber ausschließlich als Kunstfigur in Erscheinung tritt: „Man spendet sich. Und erhält Spenden. Alles ist Gabe.“
Wir sitzen im Hallmackenreuther, einem behaglich angegammelten Kölner Café. Und PeterLicht (auf die Zusammenschreibung legt er Wert) kündigt keine neue Platte an - die befindet sich noch im Entstehen -, sondern erzählt, wie die Digitalisierung ihm den Boden unter den Füßen wegzog. Das „Fluchtstück“ vom jüngsten Album darf man sich als Soundtrack dazu vorstellen: „Ich geb alles auf / Ich verflüssige mein Festes / Ich verkauf meine Sachen / Ich verflüchtige mich.“
Trag’ mich, Crowd
Ein Bettler läuft die Tische ab. So ähnlich gehe es ihm, signalisiert mit einem Nicken PeterLicht. Allerdings ist sein Sammelbecher virtuell. Auf Startnext.de hat der Künstler ein Crowdfunding-Projekt initiiert, um ein Live-Album zu finanzieren, das seine Plattenfirma nicht hatte machen wollen. Und es läuft erstaunlich gut: Obwohl die Zeichnungsfrist noch bis zum 20. April andauert, sind die avisierten 19 500 Euro schon beisammen. Die meisten Geldgeber kaufen nach dem Subskriptionsmodell eine noch gar nicht existierende Platte. Aber es lässt sich auch für dreitausend Euro ein PeterLicht-Küchenkonzert sichern oder für zehntausend Euro der Original-Bürostuhl aus dem „Sonnendeck“-Video.
Bekanntheit ist Voraussetzung für diese Form des Kredits, daher lautet die wichtigste Währung, die überhaupt erst Zugang zu den boomenden Crowdfunding-Plattformen gewährt: Facebook-Freunde. PeterLicht hat davon 6800. Immer mehr Kreative und selbst Start-up-Unternehmen verschaffen sich ihr Kapital durch verteilte Kleinstkredite. Die Plattform „Kickstarter“ hat jüngst die magische Marke von einer Milliarde Dollar Crowdfunding-Investmentvolumen übersprungen.
Es gibt Anzeichen, dass sich die gesamte klamme Kulturszene auf dieses neue Finanzierungsmodell ausrichtet. Alle hoffen, dass die Crowd sie trägt. Auch wenn man bei PeterLicht nie ganz sicher ist, wo die Ironie beginnt, scheint er von der Idee einer urdemokratischen Direktverschaltung mit den Fans tatsächlich angetan zu sein. Der unermüdliche Medienkritiker - ein Schwarmduscher?
Die Suche nach der Crowd
PeterLichts Mitarbeiter gehen in Vorleistung, denn die Konzerte werden bereits mitgeschnitten, ein Werbefilm wurde produziert, alles aber erst einmal unfinanziert. Die eingeworbene Summe wird freilich kaum für eine echte Bezahlung reichen: Alle haben Freundschaftspreise angesetzt, die Selbstausbeutung ist eingebaut. Erst wenn sich die Platte phänomenal verkauft, kann allmählich von einem Geschäftsmodell gesprochen werden.
Und das soll die Zukunft sein? Eine andere sehe er nicht: „Es gibt keinen Markt mehr für das, was ich mache.“ Sein Produkt sei zur Wolke verdampft. Er hascht in die Luft: „Hier ist sie, die Musik der Welt. Abrufbar mit unseren Geräten über Spotify, Simfy, Napster, und das im Prinzip umsonst. Sie kommt aus der Schwärze der Nacht, das hat in seiner Unfassbarkeit auch etwas Entsetzliches.“
Wer und was aber ist jene Crowd, auf die man als Kreativer nun angewiesen ist? Ist es eine Herde? Kann man auf sie bauen? Wir beschließen, die Crowd zu suchen. Immerhin wissen wir, welche Adresse sie in Köln vorschützen dürfte: den megainnovativen Rheinauhafen mit seiner Auftrumpfarchitektur.
Ein analoger Mensch
Über den Eingang des Hafens aber wacht drachengleich das Schokoladenmuseum, dessen Schokoladenbrunnen PeterLicht an den Märtyrerbrunnen in Teheran erinnert. Als wäre es für uns inszeniert, wird hier just an diesem Tag ein Buch mit dem besoffenen Titel „Wo Macher Zukunft gestalten“ vorgestellt. Der Untertitel lautet „100 Jahre Deutsche Bank an Rhein und Ruhr“, ein bei der Deutschen Bank angestellter Historiker hat es geschrieben. Vielleicht ist einfach alles, also auch das Digitale, nur ein gigantischer Betrug, hinter dem das große Geld steht?
„Die Ironie“, sagt PeterLicht, „besteht darin, dass dasselbe System, das dich enteignet, dir auch wieder ermöglicht, von ihm zu leben.“ Aber ist Crowdfunding wirklich als generelles Kunstfinanzierungsmodell denkbar? Funktioniert es nicht nur, solange das Angebot nicht zu groß ist? Dass es Newcomer schwer haben dürften, gibt PeterLicht sofort zu. Überhaupt schlägt das Pendel nun in die andere Richtung aus, kommt das Bedrohliche am virtual turn zur Sprache. Alles laufe auf ein Jüngstes Gericht zu: „Bei unseren Kindern, die ihr komplettes Leben im Digitalen verbracht haben werden, wird man jede Äußerung, jeden Sozialkontakt und jeden Standort rekonstruieren und gegen sie verwenden können. Das System ist unentrinnbar.“