Album der Woche : Was vom Tage übrig blieb
- -Aktualisiert am
Ist so frei: Norah Jones im vergangenen Sommer beim Newport Jazz Festival Bild: AP
Sie sollte zwar vielleicht nicht jeden Gesangston „anschmieren“, aber dennoch zeigt Norah Jones auf ihrem neuen Album „Day Breaks“, was für eine beeindruckende Musikerin sie ist.
Norah Jones muss nichts mehr beweisen. Nicht nur hat sie sich seit ihrem Solodebüt 2002, als plötzlich die halbe Welt das Lied „Don't Know Why“ hörte, auf erstaunliche Weise in verschiedenen Genres rund um den Jazz bewegt und einige der interessantesten Kollaborationen geprägt - darunter eine mit Elmo in der Sesamstraße -, sondern sie hat durch ihren enormen wirtschaftlichen Erfolg auch quasi im Alleingang das angeschlagene Traditions-Jazzlabel Blue Note gerettet, wie es heißt.

Redakteur im Feuilleton.
Der Erfolg hat auch mit sich gebracht, dass sie immer wieder mit großartigen Instrumentalisten zusammenarbeiten kann, die man sonst im populären Jazz nicht unbedingt vermuten wurde.
Wenn sie nun für ihr sechstes Soloalbum mit einer Basis-Rhythmusgruppe aus dem Schlagzeuger Brian Blade und dem Bassisten John Patitucci gewinnen konnte, dann weiß man schon allein deshalb, dass nicht viel schiefgehen kann. Erst recht aber nicht, wenn dann auch noch Musiker wie der Saxophonist Wayne Shorter oder der Hammond-Organist Dr. Lonnie Smith hinzukommen.
„Day Breaks“ ist ein sehr vielseitiges Album - vielleicht sogar zu vielseitig, um von Albumcharakter zu zeugen. Was davon zuerst im Ohr hängenbleibt, sind Smoothjazz-Nummern wie „It's a Wonderful Time for Love“ oder „And Then There Was You“, bei denen schon die Titel eine Nähe zu Klassikern aus dem „Real Book“ verraten. Da denkt man schon ab und zu mal: Sie muss aufpassen, dass es nicht zu glatt wird, nicht jeden Gesangston „anschmieren“.
Aber dann gibt es auch wieder Songs, die nur in diesem Stil beginnen, dann aber den Mitmusikern das Feld überlassen. Und die wissen es großartig zu nutzen: „Once I Had a Laugh“ zum Beispiel klingt plötzlich wie eine ganze Marching Band, obwohl nur eine Trompete, eine Posaune und ein Saxophon den Laden zusammenhalten.
Und eine Coverversion wie „Peace“ von Horace Silver, bei der man sogar zuerst denkt, hier habe nun die Sängerin doch mal etwas verdorben mit Ihrer Zuckrigkeit, wird dann doch noch herausgerissen durch das Saxophonsolo von Wayne Shorter. Den hat sie schließlich auch noch für das letzte Stück verpflichtet, „Fleurette Africaine“ von Duke Ellington, und hier zeigt sie, dass sie sich auch zurückzuhalten weiß: Norah Jones summt nur dezent, während Shorter zu großer Form aufläuft.
Dass sie als Sängerin dann doch noch ganz anders kann, zeigt das tolle, von ihr selbst mit Pete Remm geschriebene Stück „Flipside“, das mit seinem treibenden Groove fast nach Rockmusik klingt, durch mehrere Spuren mit Hammond-Orgel und Wurlitzer aber einen groovigen Soul-Touch erhält und im Refrain schließlich noch überraschend die Qualität eines Aretha-Franklin-Auftritts: Da dreht Norah Jones wie aus dem Nichts, aber spielend leicht einmal in höchsten Höhen auf und zeigt sehr beeindruckend, dass sie auch mal wütend werden kann und ihre Musik alles andere ist als Barjazz für den Hintergrund.