Album der Woche : Ihr da Ohm, macht Watt ihr Volt
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Das Wiener Heimorgelorchester, bestehend aus Jürgen Plank, Thomas Pfeffer, Daniel Wisser und Florian Wisser (von links). Bild: Johannes Zinner
Auf seinem neuen Album findet das erste Wiener Heimorgelorchester einen eigenen Sound. Etwas von Rammstein steckt darin – und deutlich mehr Humor.
Was kommt dabei heraus, wenn man den Witz Robert Gernhardts, die Sprachkritik Peter Handkes und die Absurdität Ror Wolfs durch den Wolf dreht und mit elektronischer Musik unterlegt? Das „Erste Wiener Heimorgelorchester“. Seit 1994 orgelt es schon, ist aber weithin noch ziemlich unbekannt. Die vier Musiker scheint das nicht sonderlich zu kratzen, sie bleiben ganz ruhig: „Die Letten werden die Esten sein“ heißt das neue Album. Wenn man das Titellied einmal gehört hat, wird man es sehr lange im Ohr haben, es klingt ein bisschen so wie die Band Rammstein – nur mit Humor.
Über die Verweildauer der Melodien des Heimorgelorchesters im Kopf hat der österreichische Liedermacher Austrofred seinerseits etwas Witziges gesagt: Er unterscheidet nämlich „normale Ohrwürmer“ von solchen Liedern, die einfach „immer da sind, chronisch quasi“. Das seien für ihn etwa „Dancing Queen“ von Abba, der Schlager „Schau hi, da liegt a toter Fisch im Wasser“ und das Lied „Anton“ von der Gruppe, um die es hier geht. „Letztere ist mir die liebste von den drei Nummern“, so Austrofred, „auch wenn sie sich im Unterbewusstsein oft ungut mit dem ,Anton aus Tirol‘ vermischt.“
„Anton“ vom 2005 erschienenen Album „Autoplay“ ist ein gutes Beispiel für den Minimalismus der Band. Die Hauptzeile, die mit der Doppeldeutigkeit zwischen dem Namen „Anton“ und dem dialektalen Ausdruck für „ein Ton“ spielt, lautet: „Anton, Anton, Anton, immer nur Anton“. Die Musik dazu erinnert nicht zufällig auch an die Elektrogruppe Kraftwerk. Dass sie die Düsseldorfer zum Vorbild erkoren haben, zeigen die Wiener auch auf ihrem Hommage-Album „Die Mensch-Maschine“ (2014), welches das gleichnamige Kraftwerk-Album von 1978 noch einmal neu zum Klingen bringt.
„Ich bin der Wallraff“
In den Liner Notes dazu heißt es, das Original habe zwar „nichts an binärer Eleganz und kühler Faszination verloren“, man erlaube sich aber dennoch einen Versuch der Evolution mit „retrofuturistischem Aberwitz“. Dieser zeigt sich beispielsweise bei dem wohl meistgecoverten Kraftwerk-Stück „Das Model“, bei dem hier der Gesang entstellt wird zu Roboterstimmen von Mainzelmännchen, während die Musik stellenweise zu eiern scheint.
Da kommt dann der Heimorgel-Aspekt ins Spiel, denn schließlich lautet das Credo, in herrlicher Abwandlung einer Indianerweisheit, die ursprünglich auf unsere Erde gemünzt war: „Wir haben die Orgeln nur von unseren Kindern geliehen.“ Aber solche Manöver müssen einen nicht verwundern bei einer Band, die aus dem Beatles-Klassiker „I Am The Walrus“ in deutscher Übertragung „Ich bin der Wallraff“ gemacht hat.
Damit ist man wieder bei den lyrischen Qualitäten, die nicht selten auch im komödiantischen Bereich liegen. Das zeigen Stücke wie das vom Geist der Sesamstraße gespeiste Buchstabenlied „Ütöpie“ („offne die ohren / dann kannst du sie horen / umlaute / üü öö ää / wir brauchen umlaute“) oder eines über den „Schmalzbaron von Ischl“, das fast schon ins Volkstümliche zu drängen scheint. Mehr als nur ein bisschen albern ist das öfter – aber das ist ja auch gerade das Schöne an der Quatsch-Popmusik, die es vielleicht kaum woanders so ausgeprägt gibt wie im deutschsprachigen Raum, immer noch stark inspiriert wohl von den Ulkchansons der Weimarer Republik, aber eben auch dem Wienerlied, deren gemischtes Erbe ganz verschiedene Blüten treibt – vom Folksong über die Neue Deutsche Welle bis hin zu Gegenwärtigem wie dem Logorrhoe-Rapper Käpt’n Peng.