CD der Woche: St. Vincent : Belohnt mit prallster Schönheit
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Hörprobe: „The Party” Bild: Beggars Group
Ist Annie Clark, wie St. Vincent eigentlich heißt, eine düstere Person? Nein, wahrscheinlich nicht. Sie ist, wie ihr zweites Album zeigt, einfach nur nicht langweilig und sie weiß um das Gebrodel unter den verführerischen Oberflächen . Die CD der Woche mit Hörprobe.
Wenn man bei YouTube nach Aufnahmen der Texanerin Annie Clark alias St. Vincent stöbert und dort etwa hört, wie sie, nur minimal verschleppt, Jackson Brownes „These Days“ spielt, könnte man sie für eine der zartbesaiteten Säuselsängerinnen halten, die derzeit so hoch im Kurs stehen. Dabei braucht man durchaus starke Nerven für die Musik dieser Frau. Was nicht heißt, dass man nicht mit prallster Schönheit belohnt würde.
Sie schlafe mit ihrem Liebsten unter dem Bett, um die Monster zu erschrecken, singt sie in „The Bed“; die Pistole seines Vaters sei dabei gar nicht nötig, versichert sie ihrem Partner. Anderswo hängt ein schwarzer Regenbogen über ihrem Haus, doch der, so singt St. Vincent, passe wunderbar zu den Vorhängen. Gleich im Auftaktsong heißt es: „Paint the black hole blacker“, und „Laughing With a Mouth of Blood“ klingt exakt so, wie es der Titel verspricht.
Wie ein Unken und Ahnen
Ist Annie Clark, wie St. Vincent eigentlich heißt, eine düstere Person? Nein, wahrscheinlich nicht. Sie ist einfach nur nicht langweilig, und sie weiß wohl um all das Gebrodel unter den verführerischen Oberflächen. Wie viel von ihr selbst in diesen bösen, bedrohlich schönen Liedern steckt, bleibt dabei angenehm rätselhaft. „Save Me From What I Want“ heißt ein Song. Ist es doch so schlimm?
Das vielsagend betitelte „Actor“ ist St. Vincents zweites Album. Es sei inspiriert von Filmen: „Badlands“, „Pierrot Le Fou“, „The Wizard Of Oz“. Es geht also offenkundig um Inszenierung, um Schönheit, um Opulenz und um Brüche. Die Musik zu ihren oft grausamen Texten klingt mitunter, als hätte ein moderner Van Dyke Parks seine besonders merkwürdigen fünf Minuten: Ein verzerrt aufgenommenes Schlagzeug rumpelt, zarte Gitarren werden gezupft, und allerhand Klangschlieren liegen über allem, es könnten Bläser, Streicher, Keyboards oder Mellotrone sein, doch nichts in diesem akustischen Spiegelkabinett ist wirklich eindeutig. Immer wieder webt Annie Clark ihre eigene, leicht verfremdete Stimme als Chor ein, der klingt wie ein Unken und Ahnen.
Eine Frau fürs Kino
Manchmal, wenn besonders technicolore Schatten in diese Lieder fallen, könnte man auch glauben, es mit einer weiblichen Folk-Antwort auf die Flaming Lips zu tun zu haben, die sich ja ebenfalls auf die Vertonung der Gleichzeitigkeit von Schönheit und Schrecken verstehen. So oder so ist dies hier Sondermusik – nicht ganz ohne Mühe in irgendeiner Kategorie unterzubringen.
Nicht nur wegen der filmischen Verweise: eine Frau, mit der man gerne mal ins Kino gehen würde. Aber ihre Musik zu hören ist womöglich sogar schöner.