Album der Woche: The Shins : Ins Herz gebohrt
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Nighthawks at the Diner - und James Mercer, Sänger der Shins Bild: dpa
Der Hauch des Country ist verflogen: Wohin zieht es die Indiepop-Band The Shins jetzt? Ihr neues Album „Heartworms“ klingt metallisch düster. Die typisch kryptische Lyrik konkurriert mit grundehrlichen Jugenderinnerungen.
„Heartworms“, Parasiten, die sich eigentlich nur in den Herzen von Hunden und Katzen einnisten, sind es vielleicht, die The Shins in ihrem an Halloween vergangenen Jahres veröffentlichten Video zu „Dead Alive“ zu Untoten werden ließen. Die Band, die in leichten Popmelodien und Texten, die auf den ersten Blick manchmal wie einfache Kinderreime anmuten, auf wundersame Weise den Kern von eigentlich allem erfasst, ist in der Indie-Szene bereits seit langem eine Größe. Nach fünf Jahren haben sie nun ihr fünftes Album veröffentlicht.
Im Vergleich zum grammynominierten Vorgänger „Port Of Morrow“, greift „Heartworms“ Elemente der Anfänge der Band auf und wirkt somit wie ein Mosaik aus den ersten drei Alben der „Shins“. Grund dafür mag sein, dass Frontmann James Mercer erstmals seit „Oh, Inverted World“ nicht nur als Songschreiber, sondern auch wieder als Produzent beteiligt war.
„Dead Alive“ beschwört zunächst, unterstützt von im Hintergrund zu hörendem teuflischen Lachen wie aus der Geisterbahn, einen düsteren Eindruck herauf. Auch das Video greift den Gothic-Kult auf, den sich „The Shins“ eindeutig von „The Cure“ abgeschaut haben. Den abstrusen Totentanz, den leuchtend weiße Skelette im zuckenden Blitzlicht aufführen, könnte man für eine Szene aus dem Video zu „Just Like Heaven“ halten, in dem Robert Smith eine geisterhaft Weißgekleidete umherwirbelt. Nach dem bei „The Shins“ obligatorischen mehrmaligen Hören fällt schließlich das typisch Gemächliche in „Dead Alive“ auf, das „Young Pilgrims“ wohl am deutlichsten gezeichnet hatte.
Was den lyrischen Gehalt seines Songschreibens angeht, hat James Mercer ebenfalls zu alter Form zurückgefunden. Dennoch bildet der Text zu „Mildenhall“ neben den sonst vertrauten metaphorisch-verschlüsselten Texten die Ausnahme und kommt ungewohnt unkryptisch daher. Zur Abwechslung scheint Mercer, dessen Stimme in diesem Song nur schwer wiederzuerkennen ist, hier einmal genau das zu meinen, was er singt. In dem autobiographischen Stück erzählt er von seinem Umzug nach Suffolk, England: „At fifteen we had to leave the States again / Dad was stationed at an RAF Base they called Mildenhall“. Dort, wo ihm das britische Regenwetter auf die Nerven fällt, findet er zur Musik, die ihm zum Rettungsanker wird: „Then a kid in class passed me a tape/An invitation not the hand of fate“. Die Sehnsucht nach der Heimat plagt ihn dennoch. Sie spiegelt sich in den Countryanklängen wider, die zuletzt auf „Chutes too narrow“ zu hören waren, und die sich bis auf winzige Ausnahmen auf dem neuen Album gänzlich verloren haben.
Die Oberhand gewinnt der metallische Hall, der „Heartworms“ den futuristisch glänzenden, aber auch leicht psychedelischen Sound verleiht. So wirkt auch das elektronisch angehauchte Intro zu „Cherry Hearts“ wie die wild herumschwirrenden Flummis, nach denen der ebenso schrille Titel „Rubber Ballz“ benannt ist. Ungefähr so muss es sich wohl im Innern einer Rakete anhören.
Einen lautstarken Ausbruch wie in „Australia“ oder „Fighting in a Sack“ sucht man hier dennoch vergeblich. James Mercer scheint es nun auf eine Rebellion im Stillen anzulegen. So könnten besonders die beiden letzten Titel des Albums sanfter nicht sein. „So Now What“ setzt nach einem minisekündlichen Intro überraschend mit dem eingängigen Refrain ein. Bereits vor drei Jahren wurde der vom ehemaligen Bandmitglied Richard Swift produzierte Song auf Bitten des Regisseurs und Autors Zach Braff eigens für den Soundtrack zu seinem Film „Wish I Was Here“ geschrieben, einer Art Roadmovie ohne Auto über die Suche nach dem Sinn des Lebens. Dass sich Mercer durch den Film inspirieren ließ, hört man. Der da singt, klingt irgendwie fern, wie ein Echo hallt die Zeile „Guess we'll just begin again“ und verheißt ein Ende, das einen Aufbruch meint.
Wohlig melancholisch klingt auch „The Fear“ dessen emotionale Schwere mit der von „New Slang“ vergleichbar ist und dessen dennoch spürbare Wärme „A Comet Appears“ beinahe übertrifft. Dank der Violinen meint man sich zwischenzeitlich in einer italienischen Fußgängerzone wiederzufinden und einer rührend-kitschigen Straßenband zu lauschen, die einfach zu phantastisch ist, um derart unbekannt zu sein. „You look into my eyes/You don't really recognize me anymore“, singt James Mercer und bohrt sich damit tatsächlich wie ein Wurm ins Herz. Ein wenig schimmert in „The Fear“ auch John Lennons „Imagine” hindurch, wenn auch nur in dem Sinne, dass beide die gleiche Art von tröstlicher Tristesse verbindet.