Bücher : Der Moore kann gehen!
- -Aktualisiert am
Bild: Tim Dinter
Michael Moore ist nur so lange interessant, wie George Bush Präsident ist. Dann ist sein egomanisches, mittelkomisches Auftreten durch übermächtige Statur des Gegners humorökonomisch wieder ausgeglichen.
Muß das wirklich alles mit?" wird man stöhnend sagen, die x-te Bananenkiste voller Bücher vorwurfsvoll anhebend, und dann, zum Beweis, welcher Plunder hier mit umziehen muß, ein knallbuntes und verblichenes Taschenbuch herausklauben, auf dessen Umschlag ein alberner, dicker Mann mit einer Kappe abgebildet ist. Dann wird man drin rumblättern, einfach so, um die Absurdität des zu schleppenden Gutes zu dokumentieren, und etwas vorlesen, und in den wenigen Sätzen wird zwölfmal der Name George W. Bush vorkommen. Dann werden alle die Stirn in Falten legen und die Augen zusammenkneifen: Namen, die keiner mehr nennt. Den hatte man, kaum war die Wahl verloren, ebenso rasch vergessen wie einst seinen Vater. Und den Autor all dieser Taschenbücher auch: Michael Moore. Was war das noch mal für einer gewesen?
Volle Deckung
"Brandaktuell aus USA" steht in Rot auf dem Titel von "Volle Deckung, Mr. Bush (Dude, where is my country?)"; das Buch stapelte sich schon Tage vor dem offiziellen Erstverkaufstag in den Bahnhofsbuchhandlungen. Die Startauflage? Gewaltig natürlich, in Harry-Potter-Dimensionen. Der ist sein einzig verbliebener Konkurrent: Im letzten Jahr hat nur Potter mehr Bücher verkauft als Michael Moore. Deutschland ist dabei so etwas wie das Musterland seines Erfolgs: Das letzte Buch, "Stupid White Men", hat sich allein in Deutschland 1,1 Millionen Mal verkauft, zeitweise war es gleichzeitig auf Platz eins und sechs der Bestsellerlisten in der englischen und der deutschen Ausgabe.
Viele der Auftritte der heute in der Berliner Columbiahalle beginnenden Deutschlandtournee sind längst ausverkauft. Wenigstens in diesem Punkt, im Pro-Kopf-Verbrauch an Michael-Moore-Produkten, ist Deutschland noch Weltspitze.
Die transatlantische Allianz, Säule der europäischen Nachkriegsordnung und zentraler Bestandteil der bundesrepublikanischen Identität, drittes "Essential" der Arbeitsverträge im Axel-Springer-Verlag - die Treue zu unseren amerikanischen Verbündeten, sie lebt gegenwärtig vor allem in der heißen Liebe des Landes zu einem mittelalten, übergewichtigen, weißen Mann mit einer Baseballkappe.
Ich will nach Hause. Hilfäääää!
Mancher möchte auch das der Bush-Administration vorwerfen: Brachte die Opposition zu Franz Josef Strauß einen energischen, todesmutigen "Spiegel" unter Augstein hervor, der Widerstand gegen Margaret Thatcher die Filme von Stephen Frears, Romane von Martin Amis und einige der schönsten Songs von Paul Weller, so bescherte uns Bush junior Michael Moore, bei dem eine Super-Pointe so klingt: "Der Irak war kein Grenada, und jetzt ist uns die Sache langweilig geworden! Wir wollen Fernsehshows mit Happy-End! Hey, warum schießen die immer noch auf uns? Ich will nach Hause! Hilfäääääää."
Pointen aus der Zeit vor der Humor-Revolution, dagegen ist selbst Martin Buchholz ein Groucho Marx, und Woody Allen bewohnt ein anderes Universum. Vor Bush junior stagnierte Moores Karriere. Seine satirische Fernsehsendung "TV Nation" gewann zwar Preise, die Resonanz blieb aber auf ein Stammpublikum beschränkt. Irgendwie hatte sich der Moore-Stil - unangemeldetes Auftauchen vor den Konzernzentralen - erschöpft, glaubten viele Beobachter. Moore war pleite. Er hatte den konzernkritischen Bestseller "Downsize this!" geschrieben und eine Lesetournee dazu veranstaltet, diese Tournee wieder mit der Kamera aufzeichnen lassen und zu einem Film verarbeitet, dessen Kernthema die Frage der gewerkschaftlichen Organisation der Angestellten der Buchhandelskette "Borders" war: etwas für ganz eingefleischte Fans.
E-Mail-Proteste der Bibliothekare