Pferdeflüstern : Weg mit der Dienstheeresvorschrift Numero 12
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Andrea Kutsch mit einem ihrer Vertrauten Bild: Matthias Lüdecke
Die Pferde verstehen nichts, wenn Menschen etwas sagen. Vielleicht sollten wir flüstern. In Bad Saarow bei Berlin kann man das an der Akademie für Pferdekommunikation lernen. Von Annette Zerpner.
Ein kräftiger Weißer mit schwarzem Flecken und ein Brauner mit einem hübschen schmalen Kopf sind das Begrüßungskomitee für die Gäste. Der Braune vertritt sich auf der weiß eingezäunten Koppel neben der Auffahrt zur „Andrea Kutsch Akademie“ ein wenig die Beine und rupft dabei gemächlich am Gras. Sein Kollege mit dem Dalmatinermuster schnaubt plötzlich laut und lässt sich auf die Seite fallen - der Auftakt zu einer kleinen Wälzorgie.
Ob das aber tatsächlich „O Wonne, ein Pferd zu sein“ heißt, sollte man besser Andrea Kutsch fragen, denn die gemeinsame Geschichte von Mensch und Pferd ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Die Deutsche, seit ihrer Kindheit begeisterte Reiterin und Pferdekennerin, hat sich mehrere Jahre in Amerika von Monty Roberts ausbilden lassen, dem weltberühmten Pferdeflüsterer und Vorbild für den gleichnamigen Film mit Robert Redford.
Kompetentes Leittier
Seit vergangenem Jahr leitet sie ihre eigene Akademie in Bad Saarow, siebzig Kilometer südöstlich von Berlin, mitten in der brandenburgischen Pampa. Dort kann man nun drei Jahre lang studieren, wie Pferde über ihre natürlichen Instinkte gewaltlos zum Reittier erzogen werden können. Herzstück des Prozesses ist das sogenannte Join-up, die Annäherung im Round Pen, einer holzumzäunten kleinen Manege. Darin wird dem Herdentier Pferd ausschließlich per Körpersprache beigebracht, dass keine Gefahr droht und man selbst ein kompetentes Leittier ist. Weil der Mensch aber eigentlich wie eine Mischung aus Raubtier und langsam reagierendem Alien wirkt, ist er von Natur aus alles andere als erste Wahl für diese Position. Neben Begeisterung werden von Studierenden deshalb Geduld, körperliche Fitness und die Bereitschaft gefordert, sich vollkommen auf diese Aufgabe einzulassen.
„Hier gibt's nichts außer Pferden“, lacht Andrea Kutsch, während sie ihren Mac auf die Power-Point-Präsentation vorbereitet. Also keine Kneipen, keine Geschäfte, kaum Jungs (wir sind in Pferdeland), keine Wohnheimpartys; aber dafür Aufstehen um halb sechs, mehrere Stunden die Ställe in Schuss halten, die Pferde versorgen und dann den Rest des Tages über studieren? Genau, und davor noch eine Bewährungszeit zwischen vier und zwölf Monaten absolvieren, in der man als „Intern“ zeigen muss, dass es einem ernst ist mit dem Pferdeflüstern. Dann erst hat man gute Aussichten auf einen Studienplatz, und den wollen ja viele. Auf jeden der vierzig Plätze im ersten Jahrgang kamen hundert Bewerbungen, fast ausschließlich von jungen Frauen. Inzwischen sind noch zwanzig übrig - ein unumgänglicher Lernprozess auf beiden Seiten, versichert Andrea Kutsch. Schließlich müsse man selbst erst herausfinden, welches Profil die Studenten brauchten, um zur Akademie zu passen.
Pferdemädchen mit ihren Müttern
Auch an diesem Besuchertag sind es vor allem Pferdemädchen mit ihren Müttern, die sich über den Studiengang „Pferdekommunikationswissenschaft“ informieren. Es herrscht Aufbruchsstimmung, alles ist nagelneu, an den Wänden hängen geschmackvoll bearbeitete Fototransparente, die Andrea Kutsch mit ihrem Lehrer Monty Roberts zeigen. An repräsentativen, funktionalen neuen Gebäuden wird ebenso gearbeitet wie an der staatlichen Anerkennung des Bachelor-Studiengangs.
Andrea Kutsch, die bei einer großen Hamburger Werbeagentur gearbeitet hat, hat nicht nur eine Mission, sie vermittelt sie auch bestens und sehr selbstbewusst: „Wir möchten die Welt als einen besseren Ort für Pferde und Menschen verlassen, als wir ihn vorgefunden haben“, heißt es auf ihrer Homepage. Im hellblauen aufgekrempelten Hemd, in Levis und Boots sitzt sie lässig auf dem Pult im Hörsaal. Blonder Pferdeschwanz, sonnenverbranntes Gesicht, lange Beine und sehnige schlanke Unterarme - alles an ihr strahlt Geradlinigkeit, Kraft und die Fähigkeit zum Zupacken aus. Die abgegriffene Formulierung „eine zum Pferdestehlen“ kommt einem in den Sinn, als sie amüsiert erzählt, dass das alte Gutshaus nebenan wegen einer Schaumparty der Studentinnen nun grundsaniert werden müsse und nicht mehr als Wohnheim dienen könne. Ob sie das damals wirklich lustig fand, ist fraglich. Wenn ihr etwas nicht passt, nimmt sie jedenfalls kein Blatt vor den Mund. Es gilt schließlich, Verantwortung für Lebewesen zu übernehmen und ein Unternehmen am Laufen zu halten. Das erfordert bereits von den angehenden Pferdeflüsterern ein hohes Maß an Reife und Zuverlässigkeit.
Das Pferd, ein Spiegel des Menschen