Bernard-Henri Lévi über Petro Poroschenko : Kriegschef wider Willen
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Für Bernard-Henri Lévi ein Widerstandskämpfer, der unterstützt werden muss: Petro Poroschenko Bild: AP
Beim ersten Wiedersehen mit Petro Poroschenko nach seiner Wahl zum ukrainischen Präsidenten finde ich einen veränderten Mann vor: Wir müssen seine Politik der Auflehnung gegen den Imperialismus aus dem Osten unterstützen.
Es ist das erste Mal, dass ich Petro Poroschenko seit seinem Wahlsieg vom Juni 2014 sehe. Der ukrainische Präsident empfängt mich in einem großen holzvertäfelten Saal, dessen Vergoldungen seltsam rosafarben glänzen. Kameras des ukrainischen Fernsehens werden die ersten Minuten des Interviews filmen.
Er erwähnt unsere Begegnung auf dem Majdan in den ungewissen Stunden der Revolution. Es war ein Sonntag im Februar, der Zufall der Vortragsordnung sah damals vor, dass wir uns auf dem Podium ablösten. Dann spricht er von jenem Tag, an dem ich ihn, einige Wochen später, mit Witali Klitschko und dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinschaft von Kiew nach Paris geholt hatte, um sie im Élysée-Palast mit Präsident François Hollande bekanntzumachen. Er erinnert auch an die vielen Meetings in Kiriwi, Dnjepropetrowsk, Dnjeprodzerinski, in all den russischsprachigen Städten, in die ich ihn während des Wahlkampfes begleitet hatte und in denen er mir das Privileg eingeräumt hatte, einleitend auf Französisch einen Gruß aus Europa auszusprechen.
Als die Kameras aus sind, geht es um den Krieg
Schließlich spricht er über meinen heutigen Besuch, auf dem Weg nach Odessa, wo ich am folgenden Tag im prachtvollen Rahmen der Staatsoper den Text des Theaterstückes vorlesen werde, das ich für Jacques Weber geschrieben habe. Die Uraufführung fand in Sarajewo statt, zur neuen Spielzeit wird Weber es im Herbst in Paris aufführen. Poroschenko fragt: „Warum Odessa?“ Wegen Isaak Babels und seiner Roten Kavallerie, Herr Präsident. Wegen Eisensteins und der großen Treppen in „Panzerkreuzer Potemkin“. Aber vor allem, ja vor allem, weil dieses Stück – auch – eine Hommage an die neue Ukraine ist und Odessa eine Stadt ist, in der man Russisch spricht, aber, vor allem anderen, ukrainischer Patriot ist...
Als die Kameras sich verabschieden, kommen wir schnell zum Wesentlichen: dem Krieg. Seinem Krieg. Dem, den ihm vom Kreml besoldete separatistische Haudegen aufgezwungen haben und den er gerade dabei ist zu gewinnen. Und dann das Wesentliche vom Wesentlichen: die Mistral-Hubschrauberträger (es sind nicht zwei, sondern vier), die Frankreich an Russland verkauft hat und deren Lieferung nicht nur von Putin als eine Unterstützung seiner Politik interpretiert würde, was in der aktuellen Lage äußerst ungelegen käme, sondern eine sinnlose Gefährdung der privilegierten Beziehungen zwischen Frankreich und der Ukraine bedeuten könnte.
Ich sage Poroschenko, dass viele Franzosen – allen voran, wie mir scheint, der Präsident – so denken wie er und hoffen, dass man noch einen Weg findet, ehrenvoll aus dieser Falle herauszukommen. Ich informiere ihn auch darüber, dass es zwei mögliche, sehr konkrete Lösungen gibt, die meines Wissens gerade auf ihre Umsetzbarkeit geprüft werden. Der eine Vorschlag kommt aus Deutschland und wurde Hollande am Gedenktag des hundertsten Jahrestages des Attentats auf Jean Jaurès präsentiert. Er sieht vor, dass die Europäische Union die vier Mistral-Verträge im Auftrag eines ihrer Mitgliedstaaten zurückkauft oder, noch besser, im eigenen Auftrag, was als Taufakt der bislang nie realisierten „gemeinsamen Verteidigung“ angesehen werden könnte.