
Patriarch im Penthouse : Moskauer Himmel
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Patriarch Kyrill und seinen Moskauer Nachbarn, den Herzchirurgen Juri Schewtschenko, entzweit ein Streit um Staub, der bei einer Renovierungsmaßnahme entstand.
Dass die Wohnungsfrage die Moskauer verderbe, wie Michail Bulgakow in seinem „Meister und Margarita“ den Teufel sagen lässt, gilt - wie sollte es anders sein - auch für den orthodoxen Klerus. In dem von Boris Iofan für die Sowjetelite errichteten klotzigen Haus an der Uferstraße gegenüber dem Kreml, von deren oberen Etagen sich ein prachtvoller Blick auf die Hauptstadt eröffnet, wohnten die Stützen der klassenlosen Gesellschaft, die in den dreißiger Jahren allerdings angstvoll die Sonderkommandos erwarteten, welche hier Michail Tuchatschewski, Alexej Rykow, Semjon Uritzki abholten. Seit 1994 besitzt im Haus an der Uferstraße auch der Oberhirte des russischen Christentums, Patriarch Kyrill, der wegen seines Mönchsgelübdes eigentlich nichts besitzen dürfte, eine dem Moskauer Himmel nahe Penthouse-Wohnung, die dem damaligen Metropoliten vom Bürgermeisteramt auf seinen weltlichen Namen, Wladimir Gundjajew, überschrieben wurde. Dort wohnt seine vertraute Verwandte Lidia Leonowa.
Ersatzwohnung und Expertenanalyse
Das Nachbarappartement direkt darunter gehört dem noch kürzlich bestens vernetzten Herzchirurgen und Ex-Gesundheitsminister Juri Schewtschenko, der obendrein die Priesterweihen empfangen hat. Doch nach einer Renovierung droht der schwer kranke Schewtschenko seine Immobilie an seine Heiligkeit Kyrill zu verlieren. Infolge der Bauarbeiten bei Schewtschenko war über den Lüftungsschacht Staub in das Quartier darüber eingedrungen. Woraufhin Frau Leonowa, statt einmal gründlich durchzusaugen, eine Ersatzwohnung anmietete, Kyrills Bücher und Möbel, inklusive Bang & Olufson-Fernseher sowie -Stereoanlage, auslagern und spezialreinigen, sich finanztechnisch und juristisch beraten und den Staub von einer Chemikerkommission der Akademie der Wissenschaften analysieren ließ.
Die fromme Frau Leonowa, die ihre Aufwendungen auf eine halbe Million Euro beziffert, konnte mit Hilfe von Putins Anwältin erreichen, dass, zur Sicherung ihrer Schadensersatzansprüche, ein Moskauer Gericht Schewtschenkos Wohnung schon mal beschlagnahmt hat. Der Patriarch tat das in dieser Situation einzig Richtige, er zeigte Offenheit und lud den berühmten Fernsehjournalisten Wladimir Solowjow zu sich, allerdings ohne Kamera, ohne Diktaphon und ohne Erlaubnis, ihn direkt zu zitieren. Danach erfuhr die Öffentlichkeit, dass Kyrill in seiner Penthouse-Wohnung nur wenige Tage zubrachte, dass Juri Schewtschenko eventuell sein Priestertum aberkannt wird, dass der Patriarch viel Teures geschenkt bekomme, und dass Jesus keineswegs ein Bettlerleben geführt habe. Doch alles als Solowjows Erzählung, ohne O-Ton-Zitat. Die Kirchenleitung kann jederzeit erklären, der Reporter habe seine Heiligkeit nicht richtig verstanden.
