Organspende : Numerus Clausus für Lebern?
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Fehlende Bereitschaft: Die sinkenden Organspendezahlen haben eine Debatte über die Verteilung der Spenderorgane in Gang gesetzt. Bild: dpa
Die Bereitschaft, Organe zu spenden, geht zurück. Das liegt auch daran, dass sie ungerecht verteilt werden. Es müssen jetzt endlich einklagbare Kriterien aufgestellt werden.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) Rainer Hess hat anlässlich der Bekanntgabe der äußerst niedrigen Organspendezahlen für 2013 öffentlich die Frage aufgeworfen, ob dieses zunehmend knappe Gut ausreichend gerecht verteilt werde. Das wird die Verteidigung im Totschlagsprozess gegen den Göttinger Transplantationschirurgen, dem die Manipulation von Wartelistendaten vorgeworfen wird, gerne gehört haben, denn auch sie hält im Interesse ihres angeklagten Mandanten das gegenwärtige Verteilungssystem für fragwürdig. Rechtswissenschaftler plädieren dafür, die Prognose, inwieweit eine Transplantation voraussehbar Erfolg haben wird, stärker als bisher zu gewichten.
Dass auch der Deutsche Ethikrat zu Beginn des Herbstes darüber gestritten hat, wie Zuteilungskriterien für Organe künftig ausgestaltet werden sollen, unterstreicht, welche Bedeutung diesem Konflikt zugemessen wird. Es geht ja auch um Leben oder Tod: Wer auf der Warteliste ganz oben rangiert, kann vielleicht eine der wenigen hundert Lebern, Herzen oder Lungen erhalten. Wer Organe zu welchem Zeitpunkt bekommt, richtet sich nach den „Richtlinien für die Wartelistenführung und Organvermittlung“, die die Bundesärztekammer aufgestellt hat. Sie folgt dabei dem „Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft“, wie es in Paragraph 16 des Transplantationsgesetzes heißt, als ob es hier um eine schlichte Umsetzung medizinischen Wissens ginge.
Lebensgefahr lässt Chancen auf Spenderorgan steigen
Sechs Richtlinien für verschiedene Organe gibt es derzeit. Die Dünndarmtransplantation folgt anderen Regeln als die Nierentransplantation, und die wiederum unterscheiden sich von denen zur Herz- oder Lebertransplantation. Bei allen Differenzen in den Einzelfragen haben die Richtlinien aber eine wichtige Gemeinsamkeit: Voraussetzung für die Aufnahme auf die Warteliste ist, dass eine entsprechende medizinische Indikation vorliegt und kein grundlegendes Hindernis für eine Organübertragung. Als grundlegendes Hindernis wird dabei auch die unzureichende Mitarbeit des Patienten (compliance) betrachtet - das ist aber eindeutig kein feststehendes, wissenschaftlich nachprüfbares Kriterium, sondern eine schwierige Frage der Wertung.
Hat es jemand auf die Warteliste geschafft, dann spielen bestimmte medizinische Faktoren eine wichtige Rolle: Ein Organ wird nur an Patienten vermittelt, bei denen zum Beispiel die Blutgruppe stimmt. Bei den Patienten, bei denen die Organübertragung aus medizinischen Gründen Erfolgschancen hat, wird die Dringlichkeit zum herausragenden Faktor: Der, bei dem die Lebensgefahr besonders drängend ist, hat bessere Chancen auf ein Organ als Patienten, die auch ohne Transplantation vorerst noch eine gute Überlebensperspektive haben.
Das Verteilungssystem ist das Problem
Hier setzt die Kritik von einigen Medizinern und Juristen an. Die Transplantationsmedizinerin Gertrud Greif-Higer, Geschäftsführerin des Ethikkomitees der Universitätsklinik Mainz, hat auf der Tagung des Ethikrates die Konsequenz beschrieben, die das gegenwärtige Verteilungssystem hat: Dadurch, dass die Chancen der Patienten, die besonders krank sind, steigen, ein Organ zu erhalten, sinke unter Umständen die Wahrscheinlichkeit, dass der Transplantierte überleben könne. „Das Allokationssystem zwingt die Patienten, die schwer krank sind, die aber mit Transplantation noch gute Chancen haben, dazu, so lange zu warten, bis sie so schwer krank sind, dass sie nur noch mit schlechter Erfolgsaussicht transplantiert werden können. Und selbst wenn die körperliche Rehabilitation gelingt, droht den meisten das soziale Aus, ohne Arbeit, kleine Rente, mit fünfzig im Altersheim.“