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NS-Fanartikel : Keine Faschos, nur Geschäftsmänner

  • -Aktualisiert am

„Führerwein“ ist in Deutschland verboten. In Italien sind Duce, Hitler und Hakenkreuze auf Souvenirartikeln nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht. Bild: Picture-Alliance

Zur Freude einiger Touristen können in Italien T-Shirts, Tassen und Wein mit dem Konterfei Hitlers und des Duces frei verkauft werden. Ein Vorschlag des Parlaments, dies zu verbieten, trifft auf freundlichen Widerstand.

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          Bisher ist es nur ein Vorschlag des Parlaments der italienischen Region Emilia-Romagna, und wahrscheinlich wird er nicht umgesetzt: Die Mehrheit aus Abgeordneten der sozialdemokratischen Partei (PD) von Ministerpräsident Renzi sowie andere linke Gruppen wollen nicht länger dem Verkauf von faschistischen und nationalsozialistischen Andenken zusehen. Aber Predappio zum Beispiel, die Geburts- und Jugendstadt von Benito Mussolini, wo einst auch das Hauptquartier der faschistischen Partei in der Casa del fascio, einem hochmodernen Bau der neuen Sachlichkeit, wohnte und wo in einer Gruft vor dem Ort der Clan des Duce in einer Krypta voller Marmor und Lilien liegt, lebt bis heute von diesem Kult.

          An Predappios Hauptstraße reiht sich ein Andenkenladen an den anderen. Da kann man Gläser und Humpen mit Hakenkreuz oder dem Rutenbündel der Faschisten kaufen, Feuerzeuge mit den Gesichtern von „Führer“ und „Duce“, Wein und Bier mit deren Namen, T-Shirts, Uniformstücke und Lederjacken; aber auch Reden und Filme, Bücher und Bilder. Der Zweite Weltkrieg lebt und verkauft sich in Predappio – wohl mehr an Touristen als an Italiener. Dabei weiß man von vielen Geschäftsleuten dort, dass sie keineswegs Faschisten sind. Die Museumsführer im Geburtshaus des Duce legen Wert auf die Feststellung, dass es ihnen um die Darstellung der Geschichte gehe und nicht um Huldigung. Auch der langjährige Bürgermeister Giorgio Frassineti, der zu Renzis PD gehört, ist alles andere als Neofaschist. Vielmehr will er jene Casa del fascio zu einem Museum gegen den Hitler-Duce-Kult machen und mit Tatsachen des Grauens den Ewiggestrigen erwidern.

          Aber in Zeiten wirtschaftlicher Enge könnte das Aus für den Andenkenhandel den Ruin für seine Stadt bedeuten, die sonst nur mit ihren Weinbergen bester Sangiovese-Trauben angeben kann. So mögen viele Bürger Predappios wie der Bürgermeister die Idee hinter dem Verbot faschistischer und nationalsozialistischer Andenken gutheißen, aber ihre Umsetzung? Sonderbarerweise waren es nicht zuletzt Kommunistenführer wie Palmiro Togliatti, denen nach 1945 die Aussöhnung wichtiger war als Aufarbeitung. Und bis heute können rechte Parteien punkten, wenn sie Namensträgerinnen aus dem Mussolini-Clan in ihren Reihen haben. Bleibt die Erkenntnis, dass der PD-Vorstoß dazu beitragen kann, Italiens Geschichte weiter aufzuarbeiten. Aber, um mit vielen Bürgern von Predappio zu sprechen: Die Idee ist gut, aber besser noch wäre es, sie nicht umzusetzen.

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