NRW-Haushalt mit Folgen : Hier kommt der Denkmaldarwinismus
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Die Zeche Zollern in Dortmund wurde 1980 noch durch ein wegweisendes Denkmalschutzgesetz bewahrt. Kürzungen von Landesmitteln bedrohen heute die kleineren Denkmäler in Nordrhein-Westfalen Bild: dpa
Von nun an müssen sich Denkmäler rentieren: Wie Nordrhein-Westfalen sein bauliches Erbe missachtet und sozialdemokratische Politik auf den Kopf stellt.
Es ist noch keine vier Wochen her, da wurde im Düsseldorfer Landtag die Ausstellung „Unser Denkmal - wir machen mit“ gezeigt, für die die Politiker, denen sie vor die Nase gesetzt wurde, viele freundliche Worte fanden: „Ohne den ehrenamtlichen Einsatz zahlreicher Mitbürgerinnen und Mitbürger wäre vieles in der Bau- und Bodendenkmalpflege“, so Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) anerkennend, „einfach nicht möglich.“ Inzwischen hat die Schau in Münster Station gemacht, und bis Mai 2014 wird sie ihr Anliegen in sieben weitere Städte von Nordrhein-Westfalen tragen: „Denkmalpflege lebt vom bürgerschaftlichen Engagement.“
Die Initiative ist breit angelegt und setzt auf die Verzahnung von Amt und Ehrenamt, um in die öffentliche Aufgabe Denkmalpflege, so heißt es im Grußwort, „möglichst viele Menschen einzubeziehen“. Doch einer der Akteure, die sich daran maßgeblich beteiligen müssten, hat gerade seinen Ausstieg erklärt: das Land Nordrhein-Westfalen selbst, dessen Kulturstiftung die Ziele ausgegeben hat. In ihrem gerade beschlossenen Haushalt für 2013 hat die rot-grüne Landesregierung Mittel für die kommunale, kirchliche und private Denkmalpflege von 11,4 auf 9,4 Millionen Euro gesenkt, und die Finanzplanung für 2014 sieht eine Kürzung um weitere sechs auf nur noch 3,4 Millionen Euro vor.
So wurde das Gesicht einer Region gerettet
Diese Marginalisierung der Denkmalpflege setzt eine Entwicklung fort, die seit zwanzig Jahren anhält: Stellte das Land 1992 noch 35,4 Millionen Euro bereit, so waren es 2012 nur noch vierzig Prozent davon, und das, obwohl die Zahl der eingetragenen Denkmäler im selben Zeitraum von 62.650 auf 86.800 gestiegen ist. Doch auch bei dem kümmerlichen Rest von nur noch zehn Prozent, der für 2014 angesetzt ist, soll es nicht bleiben: Wie zu hören ist, hat ein vom Finanzministerium eingesetztes „Effizienzteam“ vorgeschlagen, 2015 überhaupt keine Mittel mehr in den Landeshaushalt ein- und die Förderung auf Darlehensbasis umzustellen. Um einen zinsgünstigen Kredit zu erhalten, muss aber der Denkmaleigentümer Sicherheiten nachweisen können, und so werden die „Kleinen“, auch arme Kirchengemeinden, leer ausgehen, während die „Großen“ von Bauherrenmodellen profitieren.
Sozialdemokratische Politik wird auf den Kopf gestellt, öffentliche Förderung privatisiert, Denkmalpflege zu einer Frage des Geldbeutels. „Denkmäler, die es, weil sie unrentabel sind, nicht aus eigener Kraft schaffen, haben keine Überlebenschance“, bringt Markus Harzenetter, der Landeskonservator für Westfalen-Lippe, das Problem auf den Punkt: „Das kann eine Kapelle am Wegrand oder die alte Scheune eines Bauernhofs sein.“ Denkmaldarwinismus.
Mit solchen Sparmaßnahmen, die 0,02 Prozent des Haushalts betreffen, konterkariert das Land Nordrhein-Westfalen die Ansprüche, zu denen es sich 1980 mit einem fortschrittlichen und wegweisenden Denkmalschutzgesetz bekannte, das historische Verengungen aufbrach und die Industriegeschichte nicht länger als minderwertig abtat. So konnten heute vielbesuchte Stätten wie die Zechen Zollern II/IV in Dortmund und Zollverein XII in Essen oder der Gasometer Oberhausen in letzter Minute vor dem Abriss gerettet werden. Ohne den Erhalt dieser Wahrzeichen wäre das Ruhrgebiet heute eine weitgehend geschichts- und gesichtslose Region.
Der Bürger soll’s richten
Im rot-grünen Koalitionsvertrag hallt noch nach, was kein Jahr später hohl klingt: „Nordrhein-Westfalen ist reich an materiellen und immateriellen Kulturgütern. Wir wollen die Anstrengungen, sie zu erhalten, zu sichern und ihre Institutionen zu vernetzen, weiter verstärken. Denkmalpflege, Archäologie und konsequenter Erhalt und Ausbau der Archive bleiben deshalb wichtige Aufgaben.“ Die Standards aufzugeben wird schleichende, doch weitreichende Veränderungen nach sich ziehen: Das Erscheinungsbild der Städte und Dörfer wird leiden, kleine Handwerksbetriebe, die sich als Steinmetze, Stukkateure oder Fensterbauer auf denkmalgerechte Restaurierungsarbeiten spezialisiert haben, werden in die Insolvenz getrieben, und Know-how wird verloren gehen.
„Diese Entwicklung ist nicht hinnehmbar“, kritisiert der Rheinische Verein für Denkmalschutz und Landschaftspflege. Dabei führt diese doch „nur“ fort, womit auch frühere Landesregierungen, alle - außer von 2005 bis 2010 - unter sozialdemokratischer Führung, nicht hinterm wachsenden Schuldenberg gehalten haben: Was durch die Vernachlässigung der Bauunterhaltung für Straßen, Brücken und viele öffentliche Gebäude gilt und längst auf die Infrastruktur durchschlägt, kann künftig auch die bedeutendsten Gebäude des Landes heimsuchen. „Unser Denkmal - wir machen mit“: Den Karren, vor den der Bürger damit gespannt werden soll, hat die rot-grüne Landesregierung schon so weit in den Dreck gefahren, dass der Status von Nordrhein-Westfalen als Kulturland gefährdet ist.