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Bei Vortrag niedergestochen : Salman Rushdie muss nach Messerangriff beatmet werden

  • -Aktualisiert am

33 Jahre nach der iranischen Todesdrohung wurde Salman Rushdie am 12. August 2022 in Chautauqua im Bundesstaat New York von einem Unbekannten angegriffen. Bild: AP

Nach dem Messerattentat ist der Zustand des Schriftstellers nicht gut. Ein 24-Jähriger attackierte Rushdie auf einer Veranstaltung – Zeugen sprechen von mangelnden Sicherheitsvorkehrungen.

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          Nach einem Messerangriff ist der 75 Jahre alte Schriftsteller Salman Rushdie in einem Krankenhaus operiert worden. Der Angriff hatte sich auf der Bühne ereignet, kurz bevor Rushdie einen Vortrag bei der Chautauqua Institution im Westen des US-Bundesstaates New York halten wollte. Ein Mann stach dem britisch-indischen Autor mehrfach in Hals und Bauch.

          Rushdie wurde seinem Manager zufolge an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Er könne nicht sprechen und werde wahrscheinlich ein Auge verlieren, schrieb Andrew Wylie nach Angaben der „New York Times“. Nervenstränge in seinem Arm seien durchtrennt und seine Leber beschädigt worden. „Die Nachrichten sind nicht gut.“

          Der Mann, der Rushdie angriff, sei festgenommen worden, so die Behörden. Es handle sich um einen 24 Jahre alten Amerikaner aus New Jersey. Augenzeugen beschrieben, dass er Rushdie kurz vor 11 Uhr vormittags Ortszeit attackiert habe. Der Mann soll sich in schwarzer Kleidung schnell durch den Gang zwischen den etwa 2500 Gästen auf die Bühne zubewegt haben.

          Die „New York Times“ zitierte eine Augenzeugin, die gesehen habe, dass der Angreifer noch weiter um sich schlug, als mehrere Menschen ihn bereits festhielten: „Es brauchte fünf Männer, um ihn wegzuziehen und er stach immer noch zu. Er war einfach zornig, zornig, und absolut stark und schnell“, beschrieb die Frau den Attentäter. Eine andere Zeugin sagte, Rushdie habe stark geblutet. Mehrere Gäste hätten Erste Hilfe geleistet, bevor die Sanitäter da gewesen seien, hieß es in amerikanischen Medien.

          Gouverneurin Hochul sagte, ein Polizist sowie der leicht verletzte Moderator hätten Rushdies Leben gerettet. Sie würdigte den Verletzten: „Hier ist ein Mensch, der Jahrzehnte lang den Mächtigen den Spiegel vorgehalten und die Wahrheit gesagt hat, jemand, der furchtlos ist, trotz der Drohungen, die ihn sein ganzes Erwachsenenleben verfolgt haben.“

          Autor Salman Rushdie in London, Archivbild vom 26. August 2008
          Autor Salman Rushdie in London, Archivbild vom 26. August 2008 : Bild: Reuters

          Der 1947 in Mumbai als Sohn eines Geschäftsmannes geborene Rushdie wurde in den vergangenen Jahrzehnten häufig für seine Positionen angegriffen. Seine Romane vereinen magischen Realismus mit historisch-politischen Themen – dabei geht es immer wieder um die postkoloniale Welt, um die Folgen von Wanderungsbewegungen und um die Konflikte zwischen der säkular-westlichen und der islamischen Lebensweise. Sein vierter Roman „Die Satanischen Verse“ löste 1988 Proteste in der islamischen Welt aus. Viele Muslime warfen dem bekennenden Atheisten Rushdie mangelnden Respekt für ihre Religion vor.

          Iran rief zur Tötung Rushdies auf

          Im Jahr 1989 nannte der verstorbene iranische Führer Ajatollah Khomeini Rushdie einen Verächter der islamischen Religion und sprach eine „Fatwa“ gegen ihn aus. Dieses Dekret rief Muslime faktisch dazu auf, Rushdie zu töten. Mehr als zehn Jahre lang durfte Rushdie auch Indien nicht betreten – im Land seiner Geburt war sein Roman verboten. Der Schriftsteller musste mit unzähligen Morddrohungen leben. Die britische Regierung stellte ihn unter Polizeischutz, bis der Iran 1998 erklärte, die „Fatwa“ nicht mehr umsetzen zu wollen.

          Rushdie, der in Cambridge studierte und sowohl die britische als auch die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, erhielt für sein Werk zahlreiche Auszeichnungen wie den britischen Booker Prize und die Mitgliedschaft in der Royal Society of Literature. Seit dem Jahr 2000 lebt er in den Vereinigten Staaten, hauptsächlich in New York. Er lehrte an der Emory University in Atlanta sowie an der New York University.

          Anteilnahme aus aller Welt

          Etliche Künstler und Schriftsteller zeigten sich betroffen von dem Attentat und sprachen Rushdie über Twitter Genesungswünsche aus. Die Geschäftsführerin der Autorenvereinigung PEN America, Suzanne Nossel, sagte: „Wir können uns an keine vergleichbar brutale Attacke auf einen Schriftsteller auf amerikanischem Boden erinnern.“ Rushdie sei stets für seine Worte bedroht worden, aber er habe sich niemals einschüchtern lassen. Erst Stunden vor der Attacke habe Rushdie mit ihr darüber beraten, wie man ukrainischen Autoren helfen könne, sagte Nossel.

          Die Chautauqua Institution, wo Rushdie auftreten sollte, ist ein Veranstaltungszentrum im Westen des Bundesstaates New York, das Vorträge zu politischen, kulturellen und religiösen Themen anbietet. Rushdie sollte laut dem Veranstalter über die USA als „Ort des Asyls für Autoren und andere Künstler und als Heimat der Redefreiheit“ sprechen. Als sein Gesprächspartner war Henry Reese vorgesehen, der Gründer des größten Call-Center-Unternehmens der Vereinigten Staaten. 2004 rief Reese in Pittsburgh die City of Asylum ins Leben, eine Wohltätigkeitsorganisation, die in der Industriestadt in Pennsylvania Schutzräume für verfolgte Schriftsteller aus aller Welt unterhält. Reese wurde beim Angriff auf Rushdie leicht verletzt.

          Ein Augenzeuge soll dem Fernsehsender CNN gesagt haben, dass die Sicherheitsvorkehrungen bei dem Event mangelhaft gewesen seien. So habe es keine Taschenkontrollen oder Metalldetektoren gegeben, wie das bei vielen Veranstaltungen üblich ist. Der „New York Times“ sagte ein anderer Zeuge: „Es gab ein großes Sicherheitsversagen. Das jemand so nah kommen konnte, ohne dass jemand eingriff, ist beängstigend.“

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