Neues Verteidigungsministerium : Nicht alles, was gebaut wurde, ist Architektur
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In Berlin steht die Armee der Fenster stramm, zur Tarnung steht Grünzeug bereit. Bild: dpa
Der neue Erweiterungsbau des Verteidigungsministeriums in Berlin ist ein nüchternes U im Dienste der Funktionalität. Finanziell, aber leider auch ästhetisch bleibt er im Rahmen.
Gestaltungsniveau erkennt man in der Architektur auch an der Nachbarschaft. Gemessen am roten Granitkoloss der Ägyptischen Botschaft, wird man dem Erweiterungsbau des Verteidigungsministeriums in der Stauffenbergstraße die Qualitäten von Strenge, Durcharbeitung und Disziplin keineswegs absprechen wollen. Anthrazitgrau und in Maßen durchfenstert steht der Bau in der Tiefe des Grundstücks hinter einem Parkplatz. Strikt reihen sich die Fenster aneinander. Die Laibungsbleche hängen wie Zungen heraus und verlängern sie optisch.
Insgesamt ergeben sie das Bild einer Lochkarte aus den frühen Tagen der Computer, unterbrochen nur von den geschlossenen Putzflächen, hinter denen die Verbindungsgänge und Flure liegen; ein wenig steif, aber staatstragend und streng und im militärischen Ebenmaß weder falsch noch unangemessen. Die Bundeswehr ist ja schließlich kein heiteres Zuckerschlecken oder Event.
Ebenso staatstragend
Leider aber schließt der Erweiterungsbau der Stuttgarter Architekten Auer und Weber an die Bestandsbauten des Bendlerblocks an, die in diesem Teil in den dreißiger Jahren vom Architekten Wilhelm Kreis entworfen und gebaut wurden. Höher, heller und gegliederter bieten sich dessen Putzbauten dem Auge dar und lassen an den Satz des Philosophen Ludwig Wittgenstein denken, dass „nicht alles, was gebaut wird, schon deswegen Architektur ist“. Die Unterscheidung ist delikat und könnte heutzutage häufiger in Erinnerung gerufen werden.
Allerdings stand der Architekt Wilhelm Kreis auf der Gottbegnadetenliste Adolf Hitlers, so dass die Referenz kontaminiert ist. Doch ist der moderne Rationalismus von Auer und Weber ebenso staatstragend wie Kreis’ Klassizismus. Nur finden sich in seinen Häusern noch die architektonischen Gliederungen von Sockel, aufgehendem Baukörper und Dachabschluss, die bei Auer und Weber fast vollständig zurückgefahren sind. Lediglich in den leicht erhöhten Fenstern des Erdgeschosses können solche Erinnerungen ans Architektonische entdeckt werden.
Der Erweiterungsbau von Auer und Weber folgt den nüchternen Kategorien von Wirtschaftlichkeit und Funktionalität, wie Petra Wesseler, die Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) als zuständige Projektmanagerin, stolz betont. Dass er im Kostenrahmen der bewilligten 129 Millionen Euro geblieben ist, bekommt im baumaroden Berlin des BER Flughafens immer ein kleines Sonderlob. Auer und Weber hatten 2008 den Wettbewerb zur Erweiterung gegen Christoph Ingenhoven (Düsseldorf) und Volker Staab (Berlin) gewonnen. Darin eingeschlossen war die Grundsanierung des Bestandsbaus von Wilhelm Kreis, der fristgerecht 2014 übergeben wurde. Jetzt folgte der Neubau nach.
Die Grundfigur des Gebäudes ist U-förmig, die längeren Schenkel nehmen den Bestandsbau gleichsam zart in die Zange. Ehemals stand hier eine Reithalle, die nie in Betrieb ging und in Zeiten der digitalen Kavallerie auch nicht mehr gebraucht wird. Dadurch entstand ein Innenhof, der im Monograu des Gebäudes ein Lichtblick hätte sein können. Hell ist er, aber er verströmt mit den schmutzig-weißen Baumarktfliesen einen Charme, der mit unterkühlt noch zu enthusiastisch beschrieben ist. Trotz der zehn Felsenbirnen in Pflanztrögen, die im Frühling sicher schön blühen werden, gemahnt er mehr an Waschküchen denn an heitere Patios.
Die Stuben der 250 hier arbeitenden Truppenkameraden sind funktionell und hell. Die Farbskala setzt sich aus Anthrazit, Weiß und orange-hellem Holz zusammen; das Linoleum der Flure und die Nadelfilzteppiche der Stuben vermitteln unter den Kühldecken einen grundsoliden Eindruck. Lediglich ein Detail irritiert, nämlich die Schreibtische der Standardausstattung. An drei Seiten sind sie konvex-konkav gerundet, als hätte eine Loriotsche Computerlaus sie angefressen.
Die Folge der verkorksten Gestaltung ist, dass die Tische beim Zusammenstehen eine löchrige Fläche bilden. Das ist nicht nur hässlich, sondern auch symbolisch schwierig. Der Zusammenhalt der Truppe sollte doch wohl keine Löcher ergeben. Wahrscheinlich ist diese Gestaltung ergonomisch begründet und gilt als modern. Hoffentlich hat zumindest der Generaloberst noch einen richtigen Schreibtisch.