„Fahrenheit 11/9“ : Die Demokratie brennt
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Der erfolgreichste Linkspopulist des Kinos: Michael Moore bei der Premiere seines Dokumentarfilms „Fahrenheit 11/9“. Bild: AFP
Michael Moore übt in seinem neuen Film „Fahrenheit 11/9“ Kritik an der Politik der Vereinigten Staaten. Trump ist für ihn nur eine Schießbudenfigur, doch Moore zielt auf die ganze Bude.
Wenn Michael Moore der amerikanischen Demokratie die Temperatur nimmt, dann ist erhöhte Aufmerksamkeit garantiert. 2004 setzte er mit seinem Dokumentarfilm „Fahrenheit 9/11“ den kritischen Punkt für das Gemeinwesen noch auf selbst bei starker Reibungsenergie zwischen Republikanern und Demokraten schwer zu erreichende 488 Grad (Celsius, also 911 Grad Fahrenheit). Aber auch damals wurde dieser Erregungsgrad bei manchen schon deutlich überschritten, wenn sie, wie Moore, die fatalen politischen Reaktionen auf die Anschläge vom 11. September 2001 in Betracht zogen: den Irak-Krieg und die Machenschaften unter der berüchtigten Trias Bush/Cheney/Rumsfeld.
Das war alles allerdings noch gar nichts, wenn man bedenkt, dass inzwischen ein, wie Moore meint, Neofaschist das Weiße Haus mit einem Twitteraccount übernommen hat. Während die Intellektuellen noch streiten, macht Moore in seinem neuen Film „Fahrenheit 11/9“, der am Wochenende beim Filmfestival in Toronto Premiere hatte, keine Faxen und montiert alte Aufnahmen von Adolf Hitler mit der Stimme des realen Donald Trump. Nebenbei holt Moore sich da aber auch argumentative Verstärkung von dem Historiker Timothy Snyder. Zwanzig Minuten lang rechnet der erfolgreichste Linkspopulist des Kinos in „Fahrenheit 11/9“ mit Trump ab – unter anderem unterstellt er ihm recht unverhohlen eine inzestuöse Zuneigung zu seiner Tochter.
Auch Obama nicht verschont
Dann aber nimmt der Film eine überraschende Wendung. Denn Trump ist für Moore auch nur eine Schießbudenfigur, er aber zielt auf die ganze Bude. Das zweite große Feindbild für Moore ist nämlich Barack Obama, dessen zwei Amtsperioden er für vergeudete Zeit hält. Die stets nach rechts ausgestreckte Hand von Obama griff eines Tages auch zu einem Wasserglas, aus dem er dann aber nicht trank. Er tat nur so. In dem Glas war angeblich sauberes Wasser aus Flint, der Heimatstadt von Michael Moore, in der es unter dem republikanischen Gouverneur Rick Snyder eine Wasserkrise mit stark erhöhten Bleiwerten gab. Obama verzichtete auf eine offene Konfrontation mit dem politischen Gegner, Snyder ist weiter im Amt, das Nachsehen haben in Amerika immer die einfachen Leute, oft sind es Afroamerikaner.
Moore hat aber auch eine positive Botschaft: Es tut sich etwas an der Basis, vor allem in der Demokratischen Partei. Stellenweise nimmt sich „Fahrenheit 11/9“ wie ein Wahlkampffilm aus – demnächst stehen die Midterms an, und bei diesen Zwischenwahlen wird zwar indirekt auch über Donald Trump abgestimmt. Vor allem aber geht es um die Frage, mit welchem Kurs die Demokratische Partei eine Chance auf künftige Mehrheiten hat. Moore bezieht hier ganz klar Stellung für die jungen Erneuerer aus Gruppen wie den „Justice Democrats“, der aufgehende Star Alexandria Ocasio-Cortez steht auch bei ihm für die Graswurzelerneuerung. Das Datum des 9. November (11/9), an dem Donald Trump 2016 als Wahlsieger bekanntgegeben wurde und auf das Moore sich mit seinem neuen Filmtitel bezieht, deutet es an: Die Demokratie brennt jetzt wirklich, löschen kann man sie für Moore nur mit Feuer.