Netznutzung : Digital ist anders
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Auf die richtige Balance kommt es an, wenn man sich im Netz bewegt - Nicht, was es mit uns anstellt, ist die Frage, sondern was wir mit ihm machen Bild:
Die entscheidende Frage in einer zunehmend digitalisierten Welt lautet nicht: Was wird sich ändern? Sie lautet: Haben wir uns geändert? Ein Erfahrungsbericht über den sinnvollen Umgang mit Internet und neuen Medien.
Glaubt man den Bestseller-Listen des Online-Buchhändlers Amazon, dann befinden wir uns als Internetanwender schon mitten im Fegefeuer übelmeinender Online-Marketiers - ein Fegefeuer, in das zurzeit offenbar vor allem altersgeile Senioren springen, auf der Suche nach neuen erotischen Erlebnissen in der virtuellen Welt. Vier verschiedene Kategorien von Büchern über das Internet sind gegenwärtig besonders erfolgreich: Ratgeber für erfolgreiches Web-Marketing, Senioren-Handbücher für den einfachen Online-Einstieg, populäre Sachbücher über Dating und Sex in Social Networks („Millionen Frauen warten auf dich: Liebe, Sex und Internet-Dating“) und vor allen Dingen Warnungen über die vielfältigen Gefahren des Internets.
Eine kleine Auswahl an Titeln aus der Abteilung Fegefeuer: „Vorsicht, Internet!“, „Lexikon der Internetfallen“, „Falsche Freundschaft - Gefahr aus dem Internet“, „Privat war gestern - Wie Medien und Internet unsere Werte zerstören“, „Haifischbecken Internet“, „1000 Gefahren im Internet“ oder ein wenig poetisch „Wer bin ich, wenn ich online bin . . . und was macht mein Gehirn solange?“.
Nicht nur Zeiten ändern sich
Dabei ist mein Sexualleben so ziemlich der einzige Bereich, den das Internet in den letzten fünfzehn Jahren nicht grundlegend verändert hat. Um die Frage, was das Internet mit mir gemacht hat - und spannender: was ich mit dem Internet in diesen Jahren gemacht habe -, beantworten zu können, sind einige autobiographische und historische Anmerkungen unerlässlich.
Ich bin kein digital native, bin also nicht mit den modernen digitalen Errungenschaften aufgewachsen. Meine ersten Dates konnte ich weder per Facebook noch per E-Mail, ja noch nicht einmal per Handy vereinbaren. Ich lebte eine Jugend, die meinen Kindern ebenso unverständlich erscheinen mag wie mir eine Jugend vor 1968. Aber ich bin ein early adaptor in Sachen Computer und Internet, beruflich nach einigen kurzen wissenschaftlichen und journalistischen Eskapaden wesentlich von einer damals kleinen Softwarefirma sozialisiert, in die ich im Sommer 1987 als fünfzigster deutscher Mitarbeiter eingestiegen bin: eine Computerbude, die unter dem Namen Microsoft später auch der Generation meiner Eltern ein Begriff werden sollte. Heute steht sie bei meinen Kindern im Ruf eines durchaus altmodischen amerikanischen Computer-Molochs. Nicht nur die Zeiten, auch Marken-Images ändern sich offenbar immer schneller.
Völlig getrennte Prozesse
Ich habe lange Zeit das Internet gar nicht verstanden, was kein Wunder ist, wenn man von Microsoft kommt. Denn die Erfolgsgeschichte des Internets wurde zwar erst durch die Einführung von Personalcomputern möglich. Aber das Internet braucht nicht nur keinen PC, sondern es ist ihm eine der PC-Logik völlig konträre Logik einbeschrieben. Deshalb wird das Internet letztlich auch den Tod des PC bewirken. Das ist schwer zu verstehen für jene, die ihr Leben der Vision von Bill Gates verschrieben haben: „One day, there will be a PC on every desk and in every home!“ Das Internet sagt uns das Gegenteil: „Sooner or later, there won't be a PC, not in an office, nor in a home and there won't be even a desk!“