Zum Tod von Joachim Kersten : Formvollendet kein Snob
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Ein Freund er Literatur: Joachim Kersten Bild: Thomas Müller/Agentur Focus
Ungemein belesen und umfassend für die Literatur engagiert: Zum Tod des Spezialisten für Verlags- und Medienrecht Joachim Kersten, der mit Vorliebe Autoren vertrat.
Was im Gedächtnis bleiben wird, ist sein Lachen. Dies lebenslustige, raumfüllende, ansteckende Lachen, das jeden, der einmal einen Vortrag halten durfte, wenn Joachim Kersten im Publikum saß, mit Dankbarkeit erfüllte, denn man durfte sicher sein, dass keine Pointe verpuffte.
Eine Pointe ließ sich Joachim Kersten nicht entgehen, gerade wenn es um das Komische bei Arno Schmidt ging. Arno Schmidts Werk war eines seiner Lebensthemen, und seine Lesungen – meist im Dreibund mit Jan Philipp Reemtsma und Bernd Rauschenbach – waren ein großes Vergnügen, da seine weiche, norddeutsch gefärbte Stimme den Urteilen Schmidts einiges von ihrer oberlehrerhaften Strenge nahm.
Unweit von Schmidts letztem Wohnort Bargfeld, in Celle wurde Joachim Kersten 1946 geboren. In Hamburg war seine Anwaltskanzlei, doch er sprach gern von dem Häuschen auf dem Lande, kaum ein Stündchen von Hamburg entfernt, wo er die Wochenenden mit den Zigtausend Bänden seiner Bibliothek verbrachte.
Er war ungemein belesen, doch wenn man mit ihm ein Gespräch über Literatur führte, hatte man nie das Gefühl, belehrt zu werden. Man fühlte sich bereichert, da er über Autoren sprach, wie über Freunde, Nachbarn und Bekannte mit ihren Stärken und Schwächen – wobei letztere natürlich wieder Stoff für Pointen boten.
Herausgeber und Nachlassverwalter
Woher Joachim Kersten die Zeit zum Lesen nahm, ist ein Rätsel. Eine Aufzählung seiner Ehrenämter wäre lang, erwähnt hat er sie nur, wenn daraus eine Anekdote werden konnte. Einen Nebenberuf sollte man nicht vergessen: Joachim Kersten war Rechtsanwalt, Spezialist für Verlags- und Medienrecht, der mit Vorliebe Autoren vertrat. Als Herausgeber und Nachlassverwalter hatte er mit so unterschiedlichen Mandanten wie Peter Rühmkorf, Walter Kempowski, Günther Grass zu tun. Dass er diesen Beruf nur ergriffen habe, um sich so viele Bücher leisten zu können, klingt etwas zu pointiert. Lesezeit gewann er unter anderem mit seiner Technik, unliebsame Gespräche formvollendet abzuwürgen: „Ich fürchte“, sagte er dann nach kaum zwei Sätzen, „wir verplaudern uns.“
Auf Formen legte Joachim Kersten Wert, egal ob es sich um literarischen Stil oder die Verpflichtung handelte, stets angemessen gekleidet zu sein: Alte Schule – allerdings ohne jeden Dünkel: „Man ist doch kein Snob.“ Das letzte Buch, das Joachim Kersten herausgab, versammelt drei Texte über das Ende des dänischen Exzentrikers Herman Bang. „Eines Dichters letzte Reise“ – so der Titel des Buchs – führte Herman Bang zu Vorträgen in die USA, wo ihn während der Zugfahrt zwischen New York und San Francisco der Tod ereilte. Dem Band verdanken wir die Erkenntnis: „Jeder Mensch bereitet uns auf irgendeine Art Vergnügen: Der eine, wenn er das Zimmer betritt, der andere, wenn er es verlässt.“
Joachim Kersten, der vergangene Woche in Hamburg starb, gehörte zur ersten Gruppe. Dass er nie wieder ins Zimmer treten wird, macht viele Menschen traurig.