
Playlists der Parteien : Wahlklänge
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Politiker, wie sie aussehen könnten, wenn sie sich wirklich für Musik interessieren würden. Bild: Deezer
Für die musikalische Variante des „Wahl-O-Maten“ haben die Parteien ihre Playlists eingereicht. Sie geben Anlass zu Spekulationen.
Endlich ist der Wahlkampf in seiner aufregendsten Phase angelangt. CDU, SPD, FDP, Die Grünen und Die Linke haben dem Streamingdienst Deezer ihre offiziellen Playlists übermittelt, und sie werden die nächsten Wochen in ihrer Vielfalt psychologischer Deutungen überdauern. Anlass war die zweite Auflage des „Musik-O-Mats“, mit dessen Hilfe vor allem junge Wähler feststellen können, ob die Partei, welche sie wählen wollen, die in ihrem Sinne beste Musik hört.
Zu den neun abgefragten Positionen gehört „Welchen Song hörst du nur heimlich?“ – etwa immer noch „Everybody“ von den Backstreet Boys? – und „Was wäre dein Song für die Mobilitätswende?“, eine Vorlage für alle Anhänger von Queen. Am Ende ergeben sich wie beim „Wahl-O-Mat“ die Prozente der Übereinstimmung mit den Parteien. Das eigentlich Interessante ist die bei Deezer abrufbare Playlist, die im Fall der CDU aus einem beneidenswerten Hochgefühl entstanden sein muss: „Can’t Hold Us“ findet sich dort, „Don’t Stop Me Now“ und der heimlich gehörte Song der Backstreet Boys. Und wäre da nicht ein Klassiker, der die trotzige Zeile „And we got nothing to be guilty of“ enthält, wäre nicht „Monotonie“ von Ideal, so könnte man der Union glatt mangelnde Selbstironie in der Begleitmusik ihres politischen Schaffens unterstellen.
Warum „Macarena“?
Bei der SPD hat die Auswahl, offenbar von Kevin Kühnert getroffen, für interne Zerwürfnisse gesorgt, weil sie den Song „Macarena“ beinhaltet und in ihrem stilistischen Spektrum, das von der beinahe vergessenen Hamburger Band Tomte über MGMT bis zum FDP-dissenden Rapper Disarstar reicht, keinen so richtig zufriedenstellen will. Bis man also bei Rod Stewarts „Maggie May“ angelangt ist – „You led me away from home / Just to save you from being alone“ –, ist die Bereitschaft, den Wink auf die Entfremdung vom politischen Partner wohlwollend zur Kenntnis zu nehmen, passé.
Die Grünen wiederum setzen alles auf den Eindruck ihrer Songtitel: „Don’t Stop Me Now“, „Don’t Stop Believing“ und „Run The World“ sollen dann wohl auch die akustische Pein des Kampagnenlieds „Ein schöner Land“ kompensieren. Die AfD durfte nicht mitmachen. Die Auswahl der FDP klingt wie eine Playlist, die ein sechzig Wochenstunden arbeitender, am späten Abend beim Gin Tonic an der Bar von seiner Singularität ergriffener Jungliberaler im Ohr hat („I was gonna be that one in a million“), und die Linke verlässt sich mit Tracy Chapman und Udo Jürgens‘ „Lieb Vaterland“ auf die Revolutionsbeschwörung vergangener Zeiten.
Und nun ist man also sehr gespannt, wo die musikalische Selbstbestärkung am besten wirkt.