Museumsinsel Berlin : So nicht, Mr. Chipperfield!
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Der Museumsinsel droht ein Desaster: Zwischen Pergamonmuseum und Neuem Museum sollen Glaskästen stehen Bild: Atelier Chipperfield
Das hat die Berliner Museumsinsel nicht verdient: David Chipperfields Entwurf für den Eingangsbau ist mißraten. Der Architekt hat einen Baukörper aus Glas und Stahl vorgeschlagen, dem jede Präsenz, jede Aura fehlt. Eine Analyse von Heinrich Wefing.
David Chipperfield gehört fraglos zu den bedeutenden Architekten der Gegenwart. Immer wieder, zumal im Museumsbau, hat er seine Fähigkeit bewiesen, Zeitgenössisches mit Historischem zu verbinden, ohne sich anzubiedern. Sein Gespür für Materialien ist intelligent, seine Räume besitzen beeindruckende Dichte. Um so schmerzlicher, daß ausgerechnet seinem Entwurf für ein Eingangsbauwerk auf der Berliner Museumsinsel all das fehlt.
Just für die letzte freie Fläche auf der Insel, für den kostbarsten Baugrund der Hauptstadt zwischen Kupfergraben, Pergamonmuseum und Neuem Museum, unter den Augen von Schinkel, Stüler, Messel, Ihne, hat Chipperfield einen Baukörper vorgeschlagen, der jede Präsenz, jede Aura und alle Entschiedenheit vermissen läßt. Ein Kompromiß, in Glas gewickelt. So kann das einzigartige Ensemble der Museumsinsel nicht vollendet werden.
Erster Neubau seit 75 Jahren
Seit 1999 arbeitet Chipperfield, der auch den Umbau des Neuen Museums leitet, an der sogenannten „James Simon Galerie“, dem künftigen Hauptportal der Insel. Dort sollen zumal die Bustouristen, die nur Zeit haben für einen raschen Blick auf die Schätze der fünf Häuser, empfangen, mit Toiletten, Restaurants und anderer Infrastruktur versorgt und in die Rundgänge durch die Museen eingefädelt werden. Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, spricht von einem architektonischen „Schlüssel für die Schätze der Weltkulturen“.
Es wird der erste Neubau sein, der dort seit Alfred Messels vor mehr als fünfundsiebzig Jahren vollendetem Pergamonmuseum entsteht, und wohl das letzte Haus, das auf der preußischen „Freistätte der Kunst und Wissenschaften“ errichtet werden dürfte. Es ist eine ungeheure Chance und eine gewaltige Verantwortung, das abzuschließen, was 1828 mit Schinkels Königlichem Museum am Lustgarten begonnen wurde.
Kleinmut ist auf der Insel verboten
Wer freilich die vorliegenden Entwürfe sieht, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, die historische Dimension des Auftrags sei eher Last denn Inspiration für Chipperfield gewesen. Seltsam geduckt schiebt sich ein länglicher, ganz mit Stahl und satiniertem Glas verkleideter Riegel aus mehreren Kuben auf die Freifläche, auf der einst Schinkels berühmter gräzisierender „Packhof“ stand. Nichts an dem Projekt läßt ahnen, daß dies das Foyer zu Berlins Weltkulturerbestätte sein soll, der erste Bau, den alle Touristen betreten werden, wenn sie die Nofretete, den Pergamonaltar oder das Markttor von Milet besuchen.
Chipperfield selbst spricht von der „ambivalenten Erscheinung“ des Hauses, die dessen „multifunktionalem Charakter“ entspreche. Ebendas aber, Ambivalenz, Kleinmut gar, ist auf der Insel verboten. Der letzte Baustein muß vielleicht nicht mit derselben rücksichtslosen Egomanie auf die Museumsinsel gewuchtet werden wie Messels Pergamonmuseum, das alle Bezüge zu den früheren Bauten ignorierte. Aber mehr als ein schmuckes Toilettenhäuschen muß es doch sein.
Konzeptionelle Nebligkeit