Jagd nach NS-Verbrechern : Mal mit, mal ohne Lizenz zum Töten
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Anders als im Fall Rauff waren es Unentschlossenheit, veränderte interne Strukturen sowie politische Prioritätenverschiebungen, die den Mossad letztlich davon abhielten, Klaus Barbie und die österreichischen SS-Führer Franz Murer und Ernst Lerch – sie starben in den neunziger Jahren – zu eliminieren. Am Ziel der Liquidierung Josef Mengeles hingegen hielt der israelische Geheimdienst, der erst 1991 seine Jagd auf noch lebende NS-Täter endgültig einstellte, bis zum Schluss hartnäckig fest. Die Suche nach ihm betrieben die Geheimdienstler auch noch dann mit unvermindertem Eifer, als Mengele längst tot war – er war im Februar 1979 im brasilianischen Bertioga infolge eines Schlaganfalls ertrunken, was seine Familie bis 1985 verheimlichen konnte.
Die Observierung von Mengeles Sohn
Von den drei von Yossi Chen verfassten Mossad-Bänden ist der umfassendste mit einem Umfang von 374 Seiten ausschließlich der Jagd nach dem „Todesarzt“ von Auschwitz gewidmet. Wie schon sein Haupttitel „Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“ verrät, schildert er eine Geschichte des Scheiterns, über das der Autor, selbst Holocaust-Überlebender, seine Enttäuschung nicht verbergen kann.
Fast schon absurd wirken die hier beschriebenen, bislang unbekannten Versuche der Mossad-Agenten, über Mengeles in Deutschland lebenden Sohn Rolf dem damals bereits toten NS-Kriegsverbrecher auf die Spur zu kommen. So etwa wurde mehrmals in die Berliner Wohnung des Sohnes eingebrochen, wo die Israelis auch Wanzen installierten. Im Juli 1983 standen sie jedoch bei einem ihrer nächtlichen Einbrüche plötzlich in leeren Räumen. Ihnen war entgangen, dass ihr Observierungsobjekt mit seiner Familie zwei Wochen zuvor nach Freiburg im Breisgau übergesiedelt war, wohin ihm die Geheimdienstler dann auch schon bald folgten. Ein Jahr lang wurde dort seine Telefonleitung angezapft, ein als Geschäftsmann getarnter Agent nahm persönlich Kontakt auf. Als auch dessen hübsche „Sekretärin“ Rolf Mengele nicht zum Reden bringen konnte, empfahl die Agentin, was der damalige Mossad-Chef Nachum Admoni schon zuvor abgelehnt hatte: Mengeles Sohn zu entführen. Beim Mossad wurde wieder über eine „unkonventionelle Aktion“ nachgedacht, zu der es aber am Ende aus unbekannten Gründen doch nicht kam.