Monica Bellucci : „Ich weiß, dass Schönheit mir manchmal auch Macht gegeben hat“
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Monica Belucci als Mirror Queen in „Brothers Grimm“ Bild: Picture-Alliance
Jetzt sorgt die Zeit dafür, dass alles aufgedeckt wird: Ein Gespräch mit Monica Bellucci über den Skandalfilm „Irreversibel“, ihre Vorliebe für Frauenrollen in Männerwelten – und Opfer für die Leidenschaft.
Vor achtzehn Jahren lief in Cannes Gaspar Noés Film „Irreversibel“. Viele Kritiker verließen während der Vorführung den Saal, weil ihnen die Vergewaltigungsszene zu lang, zu drastisch, der ganze Film zu brutal war – und weil die umgekehrte Chronologie der Erzählung die Brutalität noch mutwilliger erscheinen ließ. So wurde er zu dem, was man „Skandalfilm“ nennt.
Monica Bellucci spielte das Opfer, und sie spielt die Rolle natürlich immer noch, wenn Noé nun seinen Film neu geschnitten, genauer gesagt: die Chronologie vom Kopf auf die Füße gestellt hat. Monica Bellucci war damals bereits, seit dem Thriller „Lügen der Liebe“ (1996) und „Der Zauber von Malèna“ (2000), ein großer Star, sie spielte danach in den beiden „Matrix“-Sequels mit, sie war Maria Magdalena in Mel Gibsons „Die Passion Christi“ und im Bond-Film „Spectre“ (2015) mit 51 Jahren das älteste aller Bond-Girls, was diesen Rollentyp mit einem Schlag aufwertete.
Hat es sich wie eine Reise in einer Zeitmaschine angefühlt, sich noch mal in „Irreversibel“ zu sehen?
Es war schon eine sehr interessante Erfahrung. Der ursprüngliche Film hat zum Thema, wie sehr die Zeit alles zerstört. Diese neue Variante konzentriert sich darauf, wie Zeit dafür sorgt, dass alles aufgedeckt wird. Nichts kann sich ewig verstecken. Der Film fühlt sich an wie eine Wiederauferstehung, die die Vergangenheit hinter sich lässt.
Wie haben Sie sich in der Zwischenzeit verändert?
Als ich vor 18 Jahren diesen Film drehte, hatte ich noch keine Kinder. In der Zwischenzeit hat sich nicht nur mein ganzes Leben geändert, sondern auch unsere ganze Gesellschaft. Das Thema des Films hatte damals noch einen ganz anderen Stellenwert. Wenn ich mir die Generation meiner Töchter ansehe, geht die anders mit solch sensiblen Themen um, weil sich auch die Regeln unserer Kultur ändern. Dadurch können Frauen Themen wie Gewalt direkter ansprechen. Im Grunde ist „Irreversibel“ ein feministischer Film, der von einem Mann gemacht wurde. Denn die Männer kommen darin allesamt nicht sehr gut weg.
Wie haben Sie die Reaktionen auf die Premiere in Cannes 2002 in Erinnerung?
Viele Menschen verließen damals vorzeitig den Saal, was dazu führte, dass sie die Dimension des Films nicht verstehen konnten. Die Poesie des Endes fehlte ihnen dabei komplett. Die Intimität zwischen mir und Vincent ...
... Cassel, Ihrem Partner und damals auch Ehemann ...
... sieht man erst am Ende des Films. Das haben viele dann verpasst, weil sie mit der Gewalt in den ersten Szenen überfordert waren. Trotzdem hat der Film es geschafft, einen Kultstatus zu erreichen, weil es auch viele Menschen gab, die den Film verstanden und geliebt haben. Heute begreift man ihn vielleicht besser denn je!
Könnte das auch an der #MeToo-Bewegung liegen?
Absolut. Diese Bewegung hat viel mit den Themen zu tun, die wir schon damals mit unserem Film angesprochen haben. Ich bin überzeugt, dass Filme die Welt verändern können, weil sie die Kultur verändern. Man kann als neuer Mensch aus einem Film herauskommen. „Clockwork Orange“ oder „Blau ist eine warme Farbe“ sind verstörende, schmerzhafte, aber eben auch wunderschöne Werke. Das Gleiche gilt auch für „Irreversibel“. Er hat eine öffentliche Diskussion ausgelöst, die wir dringend gebraucht haben.
Ist das der Chuzpe von Regisseur Gaspar Noé zu verdanken?