Das Ende des geheimen Deutschlands
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Eine Sekte oder eine Elite kulturbeflissener Männer, die sich einem „pädagogischen Eros“ verpflichtet sahen? Der dem George-Kreis nachgebildete Klub um Wolfgang Frommel (Dritter von links oben) in den 50er Jahren Bild: Private Collection
Angeblich ging es im Kreis Stefan Georges und bei seinen Nachahmern um „pädagogischen Eros“. Seit die Opfer sprechen, ist klar: Es ging auch um Missbrauch.
Manchmal muss einfach Zeit vergehen, bis noch mehr Menschen reden oder es schaffen, öffentlich zu sprechen. Sie müssen dann aushalten, was auch jetzt wieder passiert: Endlich werden Dinge benannt, über die niemand sprechen wollte – und andere, die auch dabei gewesen sind und lieber das Schweigen bewahrt hätten, beschimpfen sie als „Nestbeschmutzer“ oder halten ihnen vor, dass sie früher doch gerne dabei gewesen seien. Warum sie jetzt alles zerstörten?
Acht Jahre ist es her, seitdem die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule bekannt geworden sind. Mehr als hundert Kinder, vor allem Jungen, wurden dort zwischen 1960 und 1990 von ihren Lehrern sexuell missbraucht. Von Gerold Becker, dem damaligen Schuldirektor und Reformpädagogen, und von 15 weiteren Lehrern, gegen die ermittelt wurde. Becker starb 2010, die Taten der anderen wurden als verjährt eingestuft. Die Elite habe versagt, hieß es damals. Denn die Erziehung der Bildungsreformer war ein elitäres Projekt, in das ein Netzwerk von bildungsbürgerlichen und adligen Familien involviert war: Richard von Weizsäcker war Elternratsvorsitzender an der Odenwaldschule, sein Sohn Andreas Schüler in der „Familie Gerold Becker“. Weizsäcker war auch ein Freund des Pädagogen Hartmut von Hentig, des Lebensgefährten Gerold Beckers, der behauptete, vom Missbrauch nichts gewusst zu haben. Mit Marion Gräfin von Dönhoff waren alle drei befreundet.
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