Merkels NSA-Rede : Taka-Tuka-Land
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Die Bundesregierung verkauft die Bürger im NSA-Skandal für dumm. Kanzlerin Merkel schrumpft den Rechtsstaat und kapituliert, um nicht besiegt zu werden.
Freunde des belgischen Zeitungsreporters Tim haben eine ganz gute Vorstellung davon, wie die Staatsmacht im Krisenfall auftritt. Wenn der junge Held und sein kleiner Hund die Gauner gestellt haben, treten die beiden Polizisten Schulze und Schultze auf den Plan, sagen nacheinander genau denselben Satz und verhaften dann entweder Tim oder sich selbst. Oder sie stürzen die Treppe herunter, weil sie versehentlich ihre Schnürsenkel aneinandergebunden haben.
Die rechtsanarchistische Staatsskepsis des im Belgien der zwanziger Jahre sozialisierten Tim-Zeichners Hergé erinnert uns daran, wie der demokratische Rechtsstaat und seine Vertreter früher in weiten Teilen des Bürgertums gesehen wurden. Und weswegen sich so viele einig darin waren, dass es nicht lohne, die parlamentarische Demokratie zu verteidigen: Es war eine lächerliche Angelegenheit, ihre Repräsentanten sagten lächerliche Dinge, und ausrichten konnten sie auch nichts.
Die Strategie der Koalition, sich im Zuge des NSA Skandals extra doof zu stellen, führt wieder in diese Zeit. Wer lacht nicht über die Aussage, es gebe eben zwei „Prism“-Programme: eines für den amerikanischen NSA, das kennt nicht mal die Bundesregierung, und ein exakt gleich benanntes, das jeder Nachrichtenoffizier der Bundeswehr im Auslandseinsatz beherrscht? Beide dienen demselben Zweck. Wie Schulze und Schultze - andere Schreibweise, gleicher Beruf. Von ähnlicher Güte waren die durchsichtig opaken Bemerkungen der Kanzlerin, als sie sagte, dass „deutsches Recht auf deutschem Boden“ gelte - folglich, durfte man denken, nicht in der „Cloud“, denn der Name sagt ja schon, dass sie weder deutsch ist noch am Boden.
Was gilt dort? Einstweilen Anarchie. Deutsches Recht gilt auch nicht bei Facebook, denn das wohnt in Irland. So als wären das ferne Gestade, Neuland oder Taka-Tuka-Land, mit denen uns kein Abkommen und keine EU verbindet. Und es gilt auch nicht in Wiesbaden, jedenfalls nicht auf dem schicken neuen Stützpunkt der Amerikaner, denn der gehört ja denen. Was gilt dort? Was ganz anderes.
Merkel und Friedrich suggerieren den Bürgern, die sie für Kinder halten, eine fragmentierte und letztlich vormoderne Welt. In manchen Winkeln unserer großen Welt toben wilde Kerle, gegen die man nichts tun kann. In anderen, nur zimmergroßen Erdteilen hingegen existieren kein Staat und kein Recht - Individuen wie Snowden und Assange stranden dort und kommen nie mehr fort. Nur in Merkels kleiner Republik ist man geborgen. Ihr Trick: Wer die Erwartungen minimiert, steigert seine Chancen, sie zu erfüllen. Aus taktischen Gründen schrumpft sie die Bundesregierung und den Rechtsstaat und kapituliert, um nicht besiegt zu werden.