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Meine Krise II : Besser wäre doch eine Ostseeunion

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Nicht nur auf den Dom von Helsinki sind die Finnen stolz. Pläne für eine Fiskalunion verstehen sie als Verletzung ihres Nationalgefühls

Nicht nur auf den Dom von Helsinki sind die Finnen stolz. Pläne für eine Fiskalunion verstehen sie als Verletzung ihres Nationalgefühls Bild: dpa

Die Eurokrise weckt Zweifel an der Autorität der Machtelite. In dieser komplizierten Situation suchen Menschen nach einfachen Antworten. Ist die Zeit reif für neue supranationale Koalitionen?

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          Einen Anfang der Krise sehe ich im Jahr 2005, als Deutschland und Frankreich die Europäische Union drängten, die Basel-II-Vorschriften zu akzeptieren, womit sie europäische Banken - sogar die Europäische Zentralbank - an die Ratingsysteme von Moody’s und Standard & Poor’s banden.

          Zumindest in Finnland hat sich seither die Frage „Wird sich dies auf unseren Einfluss auf Europa auswirken?“ zu der Frage „Wird dies unser Kreditrating beeinflussen?“ verändert. Die finnischen Medien und Politiker sind seitdem auf ungesunde Art stolz auf ihre AAA-Bewertung und schauen auf die Länder herab, die herabgestuft wurden. Dabei ist die Entscheidung, private Ratingagenturen über die europäische Wirtschaft entscheiden zu lassen, ein bisschen so, als ob man einem Hersteller von Doping-Präparaten die Entscheidung überließe, wie man die olympischen Athleten am besten auf illegale Substanzen testen soll.

          Selbst die Klügsten wissen nicht weiter

          Hörbare Kritik an der EU und dem Euro gab es in Finnland schon immer, aber sie scheint nun neuen Schwung zu bekommen. Bisher waren es meist die Konservativen und Nationalisten, die sich gegen die monetäre Union aussprachen, aber jetzt wird sozusagen links und rechts gezweifelt. Die momentane Koalition besteht aus Kapitalisten, Sozialisten, Sozialdemokraten, Grünen, Christen und der Schwedischen Volkspartei, und obwohl sie alle offiziell Spanien unterstützen wollen, spalten sich die Reihen. Die am weitesten verbreitete öffentliche Meinung ist, dass es große Probleme mit dem Euro gebe, weil in den südlichen Ländern Korruption und Faulheit vorherrschten. Es wird als ungerecht empfunden, dass ehrliche, hart arbeitende Menschen aus den nördlichen Ländern wie Finnland und Deutschland mehr als ihren eigenen Teil stemmen müssen. Dies zeigt nur, wie Menschen in komplizierten Situationen reagieren und reflexartig einfache Antworten und schuldige Parteien suchen.

          In Wirklichkeit ist die Situation verwirrend. Erst vergangene Woche kam ans Licht, dass, als das finnische Parlament über den spanischen Rettungsschirm abstimmte, die Mitglieder von einer falsch übersetzten Einleitung des Abkommens in die Irre geführt worden waren. Die Undurchsichtigkeit dieses Verfahrens hat mich gelehrt, dass sogar unsere Mächtigen nicht wissen, worüber sie entscheiden. Die Idee, dass die besten und klügsten Köpfe eines jeden Landes für die Restbevölkerung - und zwar in deren Sinne - entscheiden können, hat durch die Euro-Krise stark gelitten, was ich künstlerisch inspirierend finde.

          Kann es wirklich nur eine Lösung geben?

          Zudem lehnt eine überwältigende Mehrheit der Finnen eine Fiskalunion und die Föderalisierung Europas ab. Die verbliebenen Reste unserer Souveränität an Brüssel abzugeben (und von dort an Berlin und Paris) verletzt das finnische Nationalgefühl. Es ist, als würde jemand auf der finnischen Flagge herumtrampeln.

          Vielleicht ist das der Fall, weil, sagen wir, Deutschland ein viel weiter reichendes Interesse am Wohlergehen spanischer Banken hat, da das Land ja für viele spanische Banken bürgt. Aus wirtschaftlicher Perspektive ergibt es also Sinn, dass Deutschland und Frankreich ihre eigenen Banken retten wollen. Für die Finnen ist die Frage komplizierter.

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